Erasmus-Bericht Toulouse

Toulouse, Wintersemester 2021/2022 (Bachelor)

Vorbereitung und Ankommen

Da ich vor dem Studium schon einige Monate in der französischsprachigen Schweiz verbracht habe und dort die französische Sprache auf ein recht gutes Niveau bringen konnte, zog es mich in meinem ERASMUS nach Toulouse in Frankreich, um dort meine Sprachkenntnisse zu vertiefen und einen tieferen Einblick in die französische Lebensart zu bekommen. Die Kommunikation mit der Universität in Toulouse im Vorfeld lief einwandfrei, auch wenn die Informationen erst recht zeitnah vor Antritt eintrafen. Stressig wurde es jedoch zu keinem Zeitpunkt, da die ERASMUS-Studierenden in der Psychologie in Toulouse eine gewisse Sonderstellung einnehmen. So war zum Beispiel die Wahl der Veranstaltungen im Vorfeld eher eine vorläufige Auswahl und die tatsächliche Entscheidung konnte innerhalb der ersten Wochen des Semester getroffen werden. So wird den ausländischen Studierenden ermöglicht, einen ersten Einblick in die verschiedenen Veranstaltungen zu erhalten, bevor die finale Entscheidung getroffen werden muss. Ich bin nicht sicher, ob das für alle Veranstaltungen gilt, in meinem Fall reichte jedoch in allen Fällen ein Gespräch mit der Veranstaltungsleitung in der ersten oder zweiten Stunde und die anschließende Anmeldung mit der sogenannten „Inscription pédagogique“.

In der Einführungswoche haben wir vor allem allgemeine Informationen zur Universität und dem Leben in Toulouse erhalten, die ERASMUS-Beauftragten der Psychologie sind im Einzelfall jedoch sehr hilfreich und ein Besuch in der Sprechstunde ist in jedem Fall zu empfehlen. Jedes Jahr kommt eine riesige Zahl von ausländischen Studierenden nach Toulouse, weshalb die Einführungswoche und die Veranstaltungen z.B. der ERASMUS-Organisation EIMA recht gut organisiert waren und man eine Vielzahl neuer Leute kennengelernt hat.

Wohnen

Im Vorfeld habe ich mich bereits auf lacartedescolocs.fr und leboncoin.fr nach WGs umgeschaut, erst als ich vor Ort war und nur wenige Tage vor dem Start der Einführungswochen habe ich dann jedoch eine schöne WG in der Nähe des Stadtzentrums gefunden. Tatsächlich hat in meinem näheren Umfeld in Toulouse eine Person eine große Summe Geld verloren, weil die online besichtigte, vermeintliche WG von einer älteren Dame bewohnt wurde, die von nichts wusste. Die Person hatte sogar einen Vertrag unterschrieben, weshalb ich an dieser Stelle zu erhöhter Vorsicht mahnen will und empfehle, entweder selbst vor Ort zu suchen oder wirklich genau zu prüfen, ob das Angebot vertrauenswürdig ist. Mein Zimmer in einer 2er-WG in der Nähe der Metro-Haltestelle „Compans-Caffarelli“ war am Ende zwar etwas teuer (540,-€), von der Lage jedoch unschlagbar. Ich war wenige Minuten fußläufig vom Stadtzentrum und dem „Place du Capitole“ entfernt und auch die Uni, die sich etwas außerhalb der Stadt befindet, habe ich in unter 20 Minuten mit der Metro erreichen können.

Studium

In Frankreich ist es eher selten, dass es reine Vorlesungen gibt, die meisten Veranstaltungen, zumindest im Bachelor, bestehen aus dem Cours Magistral (CM), der unserer Vorlesung ähnelt und den Travaux dirigés (TD), was ungefähr unserer Vorstellung von einem Seminar entspricht, in dem die Vorlesungsinhalte vertieft und praktisch angewandt werden. Ich habe die meisten Veranstaltungen an der psychologischen Fakultät absolviert und kann dort das Fach „Psychologie Interculturelle“ wärmstens empfehlen. An der Fakultät für Sprachwissenschaften habe ich dazu eine interessante Veranstaltung zum Thema „Psycholinguistique“ besucht und beim Sprachlabor DEFLE habe ich einen sehr gut gestalteten Sprachkurs Französisch absolviert. Die Abgaben und Prüfungen waren mit weniger Lernaufwand als an der Heidelberger Universität gut zu meistern, wichtig an dieser Stelle ist jedoch zu wissen, dass wirklich alle Veranstaltungen auf Französisch sind und auch der Großteil der wissenschaftlichen Fachliteratur nicht auf Englisch, sondern auf Französisch zur Verfügung gestellt wird. Dennoch ist das Psychologiestudium in Toulouse, denke ich, mit Grundkenntnissen Französisch gut zu schaffen.

Leben

Die Versuchung, viel Zeit mit anderen ERASMUS-Studierenden zu verbringen, ist vor allem auch aufgrund der vielfältigen Angebote für internationale Studierende natürlich sehr groß, ich habe mir jedoch Mühe gegeben, auch einheimische Studierende kennenzulernen und kann dies auf jeden Fall allen empfehlen. Auch wenn es natürlich erstmal leichter ist, mit Deutschen (und davon gibt es viele) oder anderen ERASMUS-Studierenden Kontakt aufzunehmen, ist es für die Auslandserfahrung und die Sprachentwicklung meiner Meinung nach auch sehr fruchtbar, aktiv den Kontakt mit Einheimischen zu suchen. Bekanntschaften kann man zum Beispiel sehr gut in den TDs knüpfen oder auch der Hochschulsport eignet sich sehr gut dazu. Ich habe einen Salsa-Kurs über das Studierendenwerk „CROUS“ absolviert und dort viele verschiedene Leute kennengelernt oder auch beim Volleyball einige Einheimische besser kennengelernt, mit denen ich dann viel Zeit verbracht habe und noch heute in Kontakt stehe. Für Studierende eignet sich der „Place St. Pierre“ an der Garonne mit seinen vielen Bars und Clubs sehr gut, die Nacht einzuleiten. Durch die hohe Zahl an jungen Menschen in Toulouse ist am Abend auf jeden Fall für jeden Geschmack etwas dabei, ich war zum Beispiel viel im „Puerto Habana“ und habe Salsa, Bachata und Reggaeton getanzt.

Fazit

Ich kann ein ERASMUS-Aufenthalt in Toulouse wirklich allen empfehlen. Toulouse ist eine sehr schöne Stadt mit einer hohen Zahl an Studierenden und viel Kulturprogramm. In unter zwei Stunden ist man auch am Mittelmeer, zum Beispiel in Port-la-Nouvelle, sodass sich im Sommer Tagesausflüge an den Strand auf jeden Fall lohnen. Im Winter werden von der Universität regelmäßig für sehr wenig Geld Tagesausflüge in verschiedene Skigebiete der Pyrenäen organisiert, die sich auch in unmittelbarer Nähe befinden. Auch wenn sich die Wohnungssuche etwas aufwendiger gestalten kann, empfehle ich zu versuchen im näheren Umkreis (>3km) vom Place du Capitole eine WG, Wohnung oder auch einen Wohnheimsplatz zu finden. Ansprüche das Psychologiestudium in Regelstudienzeit abzuschließen, sollten, denke ich, mit Antritt des ERASMUS in Toulouse hinter sich gelassen werden, da die Veranstaltungen doch recht unterschiedlich sind und die Anzahl der CP meist anders verteilt ist, was die Anrechnung schwieriger werden lässt. Als letzten wichtigen Hinweis kann ich euch mitgeben, dass ihr, wenn ihr ein klassisches französisches Schokocroissant kaufen wollt, unbedingt darauf achten solltet, die südfranzösische Bezeichnung „Chocolatine“ und nicht etwa „Pain au chocolat“ zu benutzen. Letzteres outet euch als Touri und Legenden besagen, dass es passieren kann, dass ihr einen höheren Preis zahlen müsst.