Erfahrungsbericht zum Erasmus-Auslandssemester an der Uniwersytet Wroclawski

Wroclaw (Breslau), Wintersemester 2016/2017 (Master)

Vorbereitung und Planung

Ich bin Soziologiestudentin und habe mein drittes Mastersemester an der Universität in Wroclaw verbracht. Ich habe als Zielland Polen ausgewählt, da ich dort die besondere Chance hatte, meine Polnischkenntnisse, die ich aufgrund meiner polnischen Abstammung besitze, zu verbessern und mehr über den polnischen Lebensalltag zu erfahren. Daher habe ich mich dafür entschieden, meinen Auslandsaufenthalt fachfremd über die Psychologische Fakultät zu organisieren. Dies stellte kein Problem dar. Ich ließ mich von der Soziologie Erasmus Koordinatorin beraten und bewarb mich über die Psychologische Fakultät für das Studium in Polen. Zeitgleich stellte ich einen Antrag auf Auslands- BAföG beim zuständigen Amt zur Finanzierung des Auslandssemesters.

Als nächstes habe ich für mein Learning Agreement Kurse an der Gasthochschule gesucht, die ich in mein Masterstudium einbringen kann. Da ich mir die Kurse im Rahmen meines Wahlmoduls anrechnen lassen wollte, hatte ich kein Problem, passende Kurse zu finden. Es gibt eine große Auswahl an englischsprachigen Kursen aus allen Fachgebieten. Insgesamt habe ich neben drei Kursen auf Englisch, einen polnischen Kurs und einen Polnisch-Sprachkurs ausgewählt. Damit hatte ich alle notwendigen Dokumente zusammen, um mich an der Gasthochschule zu bewerben. Die Bewerbung selbst erfolgte über ein Online-Formular. Ende Juni habe ich dann schließlich die Zusage aus Wroclaw erhalten und mein Erasmus-Abenteuer konnte beginnen.

Unterkunft

Im Anmeldungsprozess enthalten war die Möglichkeit, sich für die universitätseigenen Wohnheime zu bewerben. Die Kosten belaufen sich auf rund 120 im Doppelzimmer oder rund 180 im Einzelzimmer. Die empfehlenswertesten Wohnheime sind Kredka und Olowek, die direkt nebeneinander liegen. Man teilt sich sein Apartment (1 Küche, 1 Bad, 2 Zimmer jeweils zu zweit) mit einem Zimmernachbarn. Einzelzimmer werden nach Verfügbarkeit im Laufe des Semesters vergeben. Die Wahrscheinlichkeit zu Beginn ein Einzelzimmer zu erhalten ist gering. Gerade für Deutsche klingt das zunächst sehr abschreckend, insbesondere die Vorstellung, Tag und Nacht mit einer anderen Person in einem Zimmer zu wohnen. Ich persönlich habe es keine Minute bereut, im Wohnheim gewohnt zu haben. Viel hängt sicherlich davon ab, ob man sich mit seinem Zimmernachbarn versteht ­ meine Nachbarin und ich haben uns sehr gut verstanden und wir hatten zusammen eine sehr unterhaltsame Zeit. Für den Fall, dass man unzufrieden ist, kann man allerdings auch problemlos sein Zimmer wechseln oder von heute auf morgen aus dem Wohnheim ausziehen. Ein großer Vorteil des Wohnheims ist aber auch, dass man stets im Zentrum des Geschehens ist und intensiven und spontanen Kontakt zu einem Großteil der Erasmusstudenten, aber vor allem auch zu polnischen Studenten hat. Diese einmalige Erfahrung, im Wohnheim zu leben und sich sein Zimmer zu teilen, würde ich mir auf jeden Fall nicht entgehen lassen.

Studium an der Gasthochschule

In den ersten Tagen in Wroclaw ging es darum, Organisatorisches zu klären und alle Unterschriften einzusammeln, die man braucht, sowie seinen Studentenausweis abzuholen. Die Universität veranstaltet zudem eine Einführungswoche, die dazu dient, alle relevanten Informationen über die Universität, die Fakultät und die Stadt zu erhalten. Auch insgesamt ist das International Office die perfekte Anlaufstelle für Fragen und Probleme. Die Mitarbeiter dort sind sehr zuvorkommend und freundlich und setzen sich sehr dafür ein, dass alles glatt läuft.

Insgesamt habe ich an der Universität Wroclaw fünf Kurse besucht. Drei davon waren englischsprachige Kurse der Psychologie. Ein Kurs war ein englischsprachiger Soziologiekurs. Diese Kurse wurden größtenteils nur durch Erasmus- und andere ausländische Studenten besucht. Zudem habe ich einen B2 Sprachkurs besucht, um mein Polnisch aufzubessern (hier wurde vorher ein Einstufungstest angeboten). Außerdem habe ich einen polnischen Psychologie-Kurs besucht, der nur von regulären polnischen Studenten besucht wurde. Insgesamt belegte ich 23C. In den Seminaren und Vorlesungen herrscht Anwesenheitspflicht, die in die Endnote mit einfließt. Die Unterrichtsweise in den Seminaren, die ich belegt hatte, unterscheidet sich nicht allzu stark von der Unterrichtsweise, wie wir es gewohnt sind: Es wurden wissenschaftliche Artikel gelesen und Referate gehalten, die den Ausgangspunkt für die weitere Diskussion darstellten.

Alltag und Freizeit

Neben dem Besuch von Studienveranstaltungen habe ich meine Zeit hauptsächlich damit verbracht, etwas mit meinen internationalen und polnischen Freunden zu unternehmen. Wroclaw bietet einem dabei enorm viele Möglichkeiten. So kann man einfach ziellos durch die wunderschöne historische Altstadt schlendern und sich in einem der hunderten Cafés auf ein Getränk treffen, während man das gemächliche Wroclawer Leben genießt. Die aus deutscher Perspektive günstigen Restaurantpreise ermöglichen es einem oft in Restaurants essen zu gehen und das sehr reiche kulinarische Angebot Wroclaws zu erkunden. Das Nachtleben in Wroclaw hat ebenfalls sehr viel zu bieten. Man hat täglich die Möglichkeit feiern zu gehen. In der Altstadt und auch in der Nähe der Wohnheime gibt es Dutzende Clubs und Bars, die es zu entdecken gilt. Die Ausgeh- und Kneipenkultur ist sehr lebendig und sehr stark geprägt durch die Vielzahl an Studenten (insgesamt fünf große Universitäten und damit verhältnismäßig eine enorm hohe Anzahl an Studenten hat die Stadt aufzuweisen). Die ESNs in Wroclaw organisieren im Laufe des Semesters eine Vielzahl an Events. Dabei handelt es sich grundsätzlich entweder um Sportveranstaltungen (z.B. Fußballturniere), Soziales (z.B. Arbeit mit Kindern in Schulen), Kulturelles (z.B. Museumsbesuche), Partys oder auch Reisen.

Mit dem polnischen Studentenausweis erhält man 51% Rabatt auf öffentliche Verkehrsmittel. Dies macht es sehr einfach und günstig, zu reisen. Und gerade zum Reisen hat Wroclaw die perfekte geografische Lage. Von dort aus sind polnische Städte wie Krakau, Posen, Danzig oder Warschau schnell zu erreichen, aber auch Budapest, Berlin, Wien, Bratislava und Prag liegen nicht weit entfernt von Wroclaw und lassen sich dank günstiger Fernbusse in wenigen Stunden besuchen. Im Wintersemester ist außerdem von Vorteil, dass es in unmittelbarer Nähe eine Vielzahl an Skigebieten gibt, ebenso ist das höchste polnische Gebirge, das südlich von Krakau liegt, sehr schnell zu erreichen.

Das Leben im Wohnheim macht es einem sehr einfach, täglich mit neuen Menschen in Kontakt zu treten und eine Vielzahl an unterschiedlichen Menschen kennenzulernen. Spontan entstehende Freundschaften und spontane Einladungen zum Vortrinken oder zu WG-Parties sind gang und gäbe. Oft sitzt man in einem Raum mit ganz vielen Menschen, die man vorher nicht kannte, und hat die besten Gespräche seines Lebens.

Fazit

Meine Zeit in Wroclaw war die spannendste und ereignisreichste Zeit meines Lebens und die zweifelsohne beste Entscheidung, die ich während meines gesamten Studiums getroffen habe. Das Abenteuer Erasmus hat mir unglaublich viel gegeben und mich persönlich sehr verändert. Dank Erasmus konnte ich mein übliches Umfeld verlassen und etwas Neues probieren, neue Freundschaften knüpfen und ein einzigartiges, europäisches Lebensgefühl spüren und leben. Wroclaw war dafür die perfekte Stadt, die so viele Attraktionen und Möglichkeiten bietet und nebenbei auch noch wunderschön ist. Mir wurde mit so viel Gastfreundlichkeit, Aufgeschlossenheit und Lebensfreude begegnet, die ich in Deutschland so noch nicht erfahren habe. Ich kann es nur jedem empfehlen, seine Vorurteile gegenüber Polen endlich beiseite zu legen und es einfach mal zu wagen.