Erfahrungsbericht zum Auslandssemester 

Wien, Wintersemester 2018/2019 (Master)

Gesamteindruck

Insgesamt bin ich mit meinem Austausch an die Universität Wien sehr zufrieden. Die Universität weist trotz ihrer Größe eine gute Lehrqualität auf. Durch den Austausch konnte man seine Wissensgebiete sehr vertiefen. Die Mitbelegung an diversen Seminaren, sogar an anderen Universitäten in Wien, war sehr einfach möglich. Ich hatte den Eindruck, dass es insgesamt in Österreich mehr Studierende gibt, die mehrere Studienfächer gleichzeitig studieren. In Österreich wird auf struktureller Ebene einem ein Doppelstudium sehr leicht ermöglicht, sowie einem leichter ermöglicht interdisziplinär über den Tellerrand zu schauen. Für eine Millionenstadt sind die Lebenserhaltungskosten nicht viel höher als in Heidelberg. Die Mietpreise sind durchschnittlich vielleicht um 100 € teurer, wobei man auch sehr günstig wohnen kann. Die öffentlichen Verkehrsmittel verkehren sehr oft und diese werden erschwinglich angeboten (Semesterticket 75; Jahresticket 365 jederzeit kündbar]). Dass Wien sich ständig in der Top 3 auf der Rangliste für die Stadt mit der höchsten Lebenszufriedenheit und Lebensqualität befindet, wundert mich nicht mehr. Ich kann die hohe Lebensqualität und Lebenszufriedenheit nur persönlich unterschreiben. Die Architektur in ganz Wien wirkte auf mich sehr majestätisch. Außerdem achtet die Stadt Wien sehr darauf, dass es überall sehr sauber bleibt. Ich fühlte mich sehr wohl in der Stadt und ich wäre gerne länger geblieben.

Ankunft

Ich bin mit dem Zug von Heidelberg nach Wien angereist. Ich hatte 2 Koffer und 3 Taschen. Alles gestaltete sich sehr einfach, da alles deutschsprachig war. Mein Fahrrad habe ich mittels der Deutschen Bahn verschicken lassen. Mein Rad kam ca. 3 Wochen zu spät an. Das schlimmere war, dass mein Rad kaputt ankam. Es hatte eine acht im Hinterreifen neben anderen Kleinigkeiten. Ich hatte bisher keine Probleme mit dem Gepäckservice der deutschen Bahn, jedoch war dies sehr ärgerlich. Das Rad mittels der deutschen Bahn zu verschicken ist sehr kostengünstig. Eine mögliche Alternative wäre es einfach mit der Bahn mitzunehmen. Wegen meinem Gepäck hatte ich mich dagegen entschieden.

Wohnen

Ich kannte zum Glück einen alten Schulfreund, der derzeit in Wien studiert. Ich konnte bei ihm ca. 10 Tage lang übernachten. Dies erwies sich als äußerst effektiv, da ich vor Ort nach einer Unterkunft suchen konnte. Ich hatte 1 Monat davor angefangen intensiv zu suchen (ca. 1-3h pro Tag), jedoch war eine Wohnungsbesichtigung mittels Videotelefonie, z.B. Skype, nicht sehr beliebt. Vor Ort änderte sich das Bild drastisch und ich bekam viele Termine für Wohnungsbesichtigungen. Ich habe vornehmlich auf dem Portal www.wg-gesucht.de gesucht. Ich habe hierbei darauf geachtet, dass ich nur nach möbliertem Zimmer suchte. In einem Wohnheim wollte ich nicht wohnen, da ich in Heidelberg äußerst schlechte Erfahrungen gemacht habe. Darüber hinaus konnte ich bei privaten WGs mehr auf meine Prioritäten achten, wie z.B. Art der Leute, Putzplan, Lage, Räumlichkeit etc. Schlussendlich war ich in einer 2er WG mit einer Medizinstudentin. Wir verstanden uns sehr gut. Ich fühlte mich sehr Zuhause. Ich bin der Meinung, dass das Wohnen ein entscheidender Faktor ist, ob man sich im Semester wohlfühlt.

Universität Wien

Die Universität Wien weist ca. 90.000 Studierende auf, ca. 3-mal so viel wie in Heidelberg. Auf die positiven und negativen Seiten einer so großen Universität werde ich zu sprechen kommen. Es gab eine verpflichtende Veranstaltung, wo man sein ,,certificate of arrival" erhält. Schade war, dass es nicht weitere Veranstaltung und Informationen für Erasmusstudenten gab. Es wurde lediglich darauf verwiesen, dass es die ESN gibt. Die ESN wird aber von der Universität Wien nicht betreut. Ich hatte den Eindruck, dass man es selbst in die Hand nehmen musste, inwieweit man neue Leute kennenlernt. Mich hatte das International Office der Universität Wien sehr enttäuscht.

Das Psychologische Institut bot extrem viele verschiedene Veranstaltungen an. Ich interessierte mich für verschiedenste klinische Seminare, da in Heidelberg das Angebot an klinischen Seminaren begrenzt ist. Um einen Platz in einem Seminar zu erhalten, wurden Studenten primär anhand ECTS gereiht. Ich fand dieses Verfahren sehr fair und wünschte es würde auch in Heidelberg eingeführt werden (Ich habe auch Frau Neubauer darauf angesprochen). Dieses Reihungsverfahren ist nämlich sehr transparent. Das Problem für Austauschstudenten war, dass man 0 ECTS aufwies, sodass man immer als einer der Letzten gereiht wurde. Ich hatte Angst, dass ich in die Seminare nicht reinkomme, in die ich gerne belegen wollte. Schlussendlich bekam ich jedoch in allen Seminaren einen Platz.

Angemerkt sei, dass es eine leichte Handhabung gab, um an anderen Universitäten in Wien Lehrveranstaltungen mitzubelegen. Ich habe z.B. an der medizinischen Universität Wien viele Lehrveranstaltungen mitbelegt, die einen Bezug zur klinischen Psychologie hatten. Ich konnte von Themen Einblicke erhalten, die an deutschen Universitäten meines Wissens nach nicht gelehrt werden. Hierzu gehörten z.B. folgende Seminare: das Rorschach Seminar und das Viktor Frankl Seminar - Logotherapie und Existenzanalyse in der Praxis I. Im Rorschach Seminar war der Professor sogar über 80 Jahre alt, hatte den Holocaust überlebt und ich war sogar gegen Ende hin der einzige Student im Seminar. Beim Viktor Frankl Seminar war der Dozent ein enger Freund von Viktor Frankl, der ihn bis zu seinem Tod begleitet hat. Viktor Frankl war ein äußerst berühmter Psychiater, Überlebender des Holocaust und der Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Die Einblicke in die Biographie von Frankl waren für mich sehr eindrücklich, da der Dozent als Zeitzeuge und als Freund Frankls viele persönliche Details schilderte.

Ich hatte den Eindruck, dass die Lehrqualität an der Universität sehr gut war, jedoch ein wenig schwankte. Einerseits gab es DozentInnen, die abschweiften, schlechte Folien hatten, auf E-Mails kaum antworteten (die Antwort gab es z.T. dann im Seminar), andererseits gab wiederum DozentInnen, die sich sehr um die Studierenden kümmerten (z.T. bis 20min nach den Seminaren für Fragen zur Verfügung standen), hervorragende Skripte und Folien erstellten und gut per E-Mail erreichbar waren. Der Aufwand in den Seminaren war vergleichbar mit dem Aufwand in Heidelberg. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass in Seminaren Bachelorwissen wiederholt wird, die jedoch für die Wiener Studierenden neu waren. Sehr eindrucksvoll war für mich, dass die Studienorganisation sehr gut klappte. Die Studierenden hielten sich daran, dass die Referatsvorträge hochgeladen werden und DozentInnen kümmerten sich darum, dass in moodle alles hochgeladen wird.

Außerdem fand ich die IT-Infrastruktur an der Universität Wien äußerst fortschrittlich, womöglich wegen der Größe der Universität. Es gab ein sehr übersichtliches Vorlesungsverzeichnis (u:find), das Online-Portal für die Studienorganisation (u:space) war sehr strukturiert und das moodle war sehr Erasmus an der Universität Wien (WiSe 18/19) nutzerfreundlich.

Zum Beispiel war es in moodle möglich, dass man alle Dateien in einem Seminar mittels einem Mausklick downloaden konnte. Im moodle der Universität Heidelberg ist dies leider nicht möglich. Darüber hinaus war die Oberfläche und die Recherche mittels dem Rechercheportal der Universitätsbibliothek (u:search) sehr intuitiv und wies eine sehr anschauliche Weboberfläche auf. Auch die Oberfläche und die Nutzerfreundlichkeit des Webmails hat mich begeistert, obwohl ich selbst meist Outlook nutzte. Einige solcher Errungenschaften würde ich mir in Heidelberg sehr wünschen.

An der medizinischen Universität Wien war ich mit der Lehrqualität weniger zufrieden. Die Folien wurden z.T. nicht hochgeladen, Vorträge entsprachen inhaltlich und formal meinen Maßstäben nicht und einige E-Mails wurden nicht beantwortet. Ich fühlte mich bei einigen Seminaren von dem Titel der Veranstaltung enttäuscht, da die Titel mehr versprachen als man dann wirklich im Seminar saß.

Insgesamt konnte ich fachlich sehr profitieren und habe viel gelernt, insbesondere bei den anwendungsorientierten Seminaren an der Universität Wien und an der medizinischen Universität Wien. Außerdem spiele ich derzeit mit der Idee meine Masterarbeit im Ausland zu verfassen (Wien / Zürich), da mir die Lehre bei einem Dozenten in Wien sehr gefallen hat.

Leben/Freizeit

Die Stadt Wien bietet sehr viele kulturelle Möglichkeiten für erschwingliche Preise. Beispielsweise konnte man Stehplätze für die Wiener Staatsoper für 3 bzw. 4 erwerben. Man musste sich hierfür nur früh genug in die Schlange stellen (ca. 1,5h bevor die Kassen aufmachten). Es war auch darauf zu achten, dass man sich entsprechend einer Oper ankleidet. Ich hatte einen Hoodie an, sodass ich nicht zum Ticketverkauf reingelassen wurde. Ein Wärter stand nämlich vor der Eingangstür (!), bevor man überhaupt am Schalter Tickets erwerben konnte. Außerdem wies Wien viele Parks auf, die sich sehr zum Spazieren gehen eignen. Darüber hinaus war ich noch bei einigen Schlössern. Sehr romantisch fand ich hierbei das Schloss Schönbrunn.

Ich selbst habe in der Freizeit viel Sport gemacht und hatte in der Woche 4 USI-Kurse (von der Universität geförderte Sportkurse). Ich war sehr verwundert darüber, dass die Trainer sehr gut ausgebildet waren. Ein Trainer z.B. unterrichtete auch den österreichischen Nationalkader. Darüber hinaus hielt ich mich zusätzlich in einem Fitnessstudio auf.

Die öffentlichen Verkehrsmittel in Wien waren grandios. Die U-Bahnen kamen 4-minütig. Die öffentlichen Verkehrsmittel waren sehr gut vernetzt und man konnte leicht von Punkt A nach Punkt B pendeln. Das Semesterticket war für eine Millionenstadt sehr erschwinglich (75). Ich nutze es auch aus, dass ich mein Fahrrad mit in die öffentlichen Verkehrsmittel nehmen durfte.

Insgesamt hatte ich sehr viele universitäre Lehrveranstaltungen an verschiedenen Universitäten besucht, sodass meine Freizeit zu kurz kam. Ich war von der leichten Mitbelegung und von dem sehr faszinierenden Angebot überwältigt. Am liebsten hätte ich sogar noch mehr belegt, jedoch wies ich schon einen enormen Workload auf. Ich habe zudem auch viele Sportkurse gemacht, da das Sportangebot sehr breit war. Schlussendlich litt mein Sozialleben daran, welches ich im nächsten Austausch gerne verändern möchte.