Erasmus Erfahrungsbericht Lissabon WiSe 2022/23

Lissabon, Wintersemester 2022/2023 (Bachelor)

Ich habe das Wintersemester von September 2022 bis zum Ende Januar 2023 in Lissabon, der Hauptstadt Portugals, verbracht und möchte in diesem Bericht mit euch meine Erfahrungen teilen. Ein kleiner Hinweis: Ich studiere Psychologie im Nebenfach 25% und im Hauptfach Ethnologie. Deshalb habe ich neben Psychologiekursen an der Faculdade de Psicologia auch einen Ethnologiekurs am ISCSP in Lissabon belegt, dem Institut für Politik- und Sozialwissenschaften.

Bewerbung & was ihr über die Bewerbung über fachfremde Institute wissen solltet

Als ich mir zu Beginn letzten Jahres überlegt habe, ein Erasmus-Semester zu machen, war ich mir noch nicht ganz sicher, an welchen Ort ich genau wollte. In meinem Hauptfach gab es leider keine Orte, die mich für ein Erasmus-Semester interessiert haben, weshalb ich mich in Psychologie und weiteren Fachbereichen auf unterschiedliche Städte bewarb. Generell ist es möglich, sich auf Plätze anderer Fachbereiche zu bewerben, allerdings sollte man dabei einiges beachten: Die Erasmus-Kooperationen bestehen zwischen den Fachbereichen der Heim- und Auslandsuniversität. Da ich mich also an meiner Heimuniversität über die Psychologie beworben habe, ist an meiner Gastuniversität auch automatisch die Psychologische Fakultät für mich zuständig. Von Studierenden, die über fachfremde Institute ins Ausland gehen wollen, wird dann häufig erwartet, dass sie einen bestimmten Anteil ihrer Kurse auch in dem Fachbereich belegen, über den sie angemeldet sind. Das ist an jeder Uni individuell geregelt, sollte aber bedacht oder im Voraus abgeklärt werden. An einer Uni wurde mir beispielsweise im Vorhinein gesagt, dass ich ausschließlich Kurse in der Fakultät belegen könne, über die ich als Erasmus-Studentin eingeschrieben bin (das war in diesem Fall Klassische Philologie, wovon ich mir nichts hätte anrechnen lassen können). Ich habe in Lissabon beispielsweise noch einen Anthropologiekurs belegt, allerdings war dies mit sehr großem Chaos und organisatorischem Aufwand verbunden, weil ich von dem Institut nicht als Erasmus-Studentin gelistet war und mich deshalb niemand auf dem Schirm hatte. So musste ich mir alle Informationen mehr oder weniger einzeln zusammensuchen und bezüglich der Kursanmeldungen oder des Transcript of Records öfter nachfragen.

Vorbereitung

Ein Visum war für meinen Aufenthalt in Lissabon nicht notwendig. Die Vorbereitungen waren bei mir an den Erasmus-Bewerbungsprozess meiner Uni geknüpft. Ende Januar 2022 war im Psychologischen Fachbereich Bewerbungsschluss. Mitte Februar bekam ich dann bereits die Zusage von meiner Erasmus-Koordinatorin für einen Erasmus-Aufenthalt in Lissabon im Wintersemester 22/23. Ende März bekam ich die Information aus Lissabon, dass sie meine Nominierung erhalten haben und bis Ende April musste ich mich folglich in der Erasmus-Datenbank der Uni Heidelberg registrieren. Bis Ende Juni folgte dann die Anmeldung an der Universidade de Lisboa, wofür ich bereits mein Learning Agreement ausfüllen musste. Da zu diesem Zeitpunkt noch lange keine Stundenpläne veröffentlicht waren, gab ich zunächst einfach die Kurse an, die sich für mich am interessantesten anhörte. Das erwies sich als sehr sinnvoll, da ich so später erstmal in alle Kurse reingekommen bin, die ich gut fand und dann noch Kurse umwählen konnte, die sich zeitlich überschnitten. Viele Kurse sind sehr beliebt, sodass es schwierig ist, vor Ort noch einen Platz zu bekommen. Allerdings haben viele meiner Erasmus-Kommilitoninnen einfach mit den Professorinnen geredet und konnten so dann doch noch teilnehmen.

Lange gab es keine Informationen darüber, wann das Semester an der Faculdade de Psicologia tatsächlich starten würde und tatsächlich bekam ich erst Mitte August die Information, dass meine Anthropologiekurse Mitte September und meine Psychologiekurse erst in der letzten Septemberwoche beginnen sollten. Selbst wenn man aber Anfang September schon in Lissabon ist, gibt es bereits viele Aktivitäten von ESN (Erasmus Student Network) und ELL (Erasmus Life Lisboa), an denen man teilnehmen kann, um andere internationale Student*innen kennenzulernen. Was ich für die Vorbereitung noch empfehlen würde, ist, sich eine Auslandskrankenversicherung zu holen. Ich habe meine von der HanseMerkur und habe mich für einen der Premiumtarife entschieden, um vollständig abgesichert zu sein. Man sollte sich auf jeden Fall genau anschauen, was in den einzelnen Tarifen enthalten ist und was nicht.

Wohnung

Die Wohnungssituation in Lissabon hat sich in den letzten Jahren sehr verschlechtert. Obwohl Portugal in Europa ein ökonomisch eher schwächer gestelltes Land ist, haben unter anderem die vielen ausländischen Studierenden, Arbeitnehmenden und Digital Nomads zu einer starken Gentrifizierung in Lissabon beigetragen. Viele WG-Zimmer liegen bei 500€ aufwärts (WG-Zimmer für 700-800€ sind keine Seltenheit)! Ich würde euch empfehlen, frühzeitig (das heißt ca. 3 Monate vorher) auf Seiten wie Idealista, Spotahome und Uniplaces zu schauen, wobei letztere beiden Seiten eine sehr hohe Vermittlungsgebühr fordern. Auch über Facebook Marketplace oder in diversen Facebook Gruppen wie „Lisbon Housing“ kann man fündig werden, wobei sich dort auch viele Betrüger*innen herumtreiben. Ich würde in jedem Fall empfehlen, sich frühzeitig um die Unterkunft zu kümmern, da der Wohnungsmarkt vollkommen überrannt ist. Zu Beginn meines Auslandssemesters haben gefühlt ein Drittel aller Erasmus-Studierenden noch 2-3 Wochen im Hostel geschlafen, weil es so schwierig war, noch Zimmer zu bekommen.

Es gibt auch Studierenden-Wohnheime von der Uni, auf dessen Plätze man sich bewerben kann. Dort kosten die Zimmer nur um die 250€, allerdings sind die Plätze auch sehr begrenzt, weshalb man nicht alles darauf setzen sollte. Es gibt Einzel- und Doppelzimmer die man sich mit einer anderen Person teilen muss. Zu beachten ist dabei, dass man sich zunächst nur generell für einen Platz bewerben kann, ohne angeben zu können, an welchen Standort man möchte. Erst vor Ort geht man dann zu einem Koordinierungsbüro von der Uni, wo man dann tatsächlich erfährt, in welches Wohnheim man kommt. Wenn man in eins der zentralen Wohnheime will, muss man auf jeden Fall sehr früh im Semester bereits dort sein, sonst wird man in einem der weiter außerhalb liegenden Wohnheime platziert. Bei der Zimmersuche würde ich Wert darauf legen, dass die Wohnung nicht nur einigermaßen zentral liegt, sondern auch darauf, dass die Anbindung gut ist. Am besten ist es, in der Nähe einer Metro-Station zu wohnen, da diese am zuverlässigsten sind und die Busse durch fehlenden festen Zeitplan gerne auch mal auf sich warten lassen.

Mobilität

Es ist zu empfehlen, sich ein Monatskarte (ca. 30-40€) für den ÖPNV in Lissabon zu holen, um möglichst günstig und flexibel unterwegs zu sein. Es gibt mehrere Metro-Stationen (z.B. Campo Grande, Marques de Pombal), wo man diese Monatskarten namens „Navegante“ zu Beginn des Monats beantragen kann. In den Folgemonaten kann die Karte dann einfach am Automaten aufgeladen werden. Bis einschließlich 23 Jahre kann man eine Vergünstigung bekommen, wofür man ein ausgefülltes Formular, von der Erasmus-Koordinatorin unterschrieben, zur Anmeldung mitbringen muss, um seine Immatrikulation zu belegen. Ich war zur Beantragung meiner Karte beim Carris Client Service in der Avenida Duque de Ávila 12. Um stundenlange Wartezeit zu vermeiden, empfiehlt es sich 10-20 Minuten vor Öffnungszeit da zu sein und sich schonmal in der Schlange anzustellen, dann kommt man schnell dran. Es gibt Tickets für das Stadtgebiet oder für die gesamte Metropolregion, die nur 10€ mehr im Monat kosten und sehr empfehlenswert sind, weil man damit sehr weit fahren kann und auch zu atemberaubenden Stränden (z.B. Praia da Ursa oder Praia do Ribeiro do Cavalo) sowie zu nahegelegenen Städten wie Sintra und Cascais kommt. In andere Städte wie Porto oder Coimbra oder an die Algarve kommt man übrigens sehr günstig mit dem Flixbus (die Tickets kosten oft zwischen 5-10€)!

Leben in Lissabon und Portugal

Lissabon ist eine Stadt, die super viel zu bieten hat! Mein absoluter Favorit sind die ganzen tollen Aussichtspunkte in der Stadt, auch „Miradouros“ genannt! Ab Cais do Sodré kommt man super per Zug an die ganzen Stadtstrände. Innerhalb der Stadt hat jedes Viertel seinen ganz eigenen Charme! Insgesamt ist Lissabon eine sehr lebendige und bunte Stadt! Gerade bei gutem Wetter bietet es sich an, einfach mal durch die verschiedenen „bairros“ zu schlendern, einen Kaffee zu trinken und in die kleinen versteckten Gässchen zu schauen.

Eine Aktivität, die ich euch sehr ans Herz legen möchte, ist das Töpfern. Portugal ist sehr bekannt für seine Keramik und vor allem für die ganzen fliesenbedeckten Häuserfassaden. Mit dem Töpfern kann man in diese Kunst und Kultur nochmal auf ganz besondere Weise eintauchen. Viele Kurse sind sehr teuer, aber ich habe eine kleine Werkstatt gefunden in der Calçada de Santo André 72, die super günstig ist. Geht einfach mal ab 17 Uhr vorbei und probiert es aus!

Dennoch ist Lissabon auch super trubelig und laut und die meisten Wohnungen sind schlecht isoliert. Besonders geräuschempfindliche Personen sollten bei Möglichkeit darauf achten, nicht in der Nähe des Flughafens oder direkt an einer großen Straße zu wohnen. Ich habe die ersten zwei Monate in Campo Grande gewohnt, nur 15 Minuten zu Fuß von der Faculdade de Psicologia. Außer eines großen Parks direkt vor der Haustür kann ich die Gegend allerdings überhaupt nicht empfehlen, da sie eher industriell geprägt ist und direkt in der Abflug- und Landeschneise des Flughafens liegt, weshalb alle 5-10 Minuten starker Flugzeuglärm auftaucht. Ab November bin ich dann nochmal ins Zentrum gezogen, ganz in die Nähe des „Miradouro de Santa Catarina“, eine wirklich tolle Gegend, die trotz sehr zentraler Lage und toller Orte auch ziemlich ruhig sein kann, wenn man in einer Seitenstraße wohnt. Die Menschen in Portugal habe ich als super freundlich und herzlich empfunden! Vor allem, wenn man sich Mühe gibt und auch mal auf Portugiesisch mit ihnen spricht (zum Beispiel bei der Bestellung im Restaurant oder im Laden) reagieren viele sehr überrascht und fangen gerne Gespräche an. Ich habe oft bereits nach wenigen simplen Sätzen Komplimente von Einheimischen bekommen, weil sie sich so gefreut haben, dass mal jemand nicht auf Englisch oder Spanisch mit ihnen spricht, sondern sich wirklich bemüht, die Landessprache zu lernen!

Universidade de Lisboa und Faculdade de Psicologia

Ich habe an der Faculdade de Psicologia zwei Kurse und am ISCSP jeweils zwei Kurse belegt. Meine Psychologiekurse hießen: „Psicologia Social dos Processos Grupais e Intergrupais” (Sozialpsychologie der gruppalen und intergruppalen Prozesse) und „Risco, Crise e Resiliência Familiar e Comunitária“ (familiäres und gemeinschaftliches Risiko, Krise und Resilienz). Meine Ethnologiekurse hießen „Crise, Trauma e Memória“ (Krise, Trauma und Erinnerung) und „Grupos de Pressão e Novos Movimentos Sociais“ (Lobbies und neue soziale Bewegungen). All meine Kurse waren sehr spannend, wobei ich die Unterrichtsdauer von 3-4 Stunden am Stück deutlich zu lang fand. Die Inhalte und Leistungsanforderungen jedes Kurses können übrigens online über die Seite der psychologischen Fakultät eingesehen werden. Insgesamt sind die meisten Kurse ziemlich aufwändig und ein großer Unterschied ist, dass die Hausarbeiten alle bereits während der Vorlesungszeit abgegeben werden müssen. Die Vorlesungszeit ging von Mitte/Ende September bis kurz vor Weihnachten; im Januar standen dann nur noch Klausuren an.

Zu meinen portugiesischen Kommiliton*innen habe ich leider keinen engen Kontakt aufbauen können, auch wenn alle wirklich nett zu mir waren. Das Problem war einfach, dass die Studierenden dort durch das verschulte System alle Kurse wie im Klassenverbund zusammen haben und deshalb bereits bei meiner Ankunft in sehr festen Gruppen waren. Ich hingegen, so wie viele andere Erasmus-Studierende habe mir meine Kurse komplett frei auswählen können, weshalb ich Wahlpflichtkurse aus unterschiedlichen Jahrgängen belegt habe. Zukünftigen Studierenden würde ich raten, so gut es geht Kurse aus einem Jahrgang zu wählen, um öfter Zeit mit den gleichen Leuten zu verbringen. Ein anderes Hindernis für das Knüpfen portugiesischer Kontakte war auch, dass die meisten Studierenden weiter außerhalb bei ihren Eltern wohnen – teilweise ein bis zwei Stunden von der Uni entfernt, weshalb es nicht so leicht ist, sich mal spontan zu treffen.

Sprache und Sprachkurse

An der Universidade de Lisboa finden die meisten Bachelor Kurse auf Portugiesisch statt, so auch bei mir in Psychologie und Ethnologie. Viele Masterkurse werden auf Englisch angeboten und im Bachelor gibt es, wenn man Glück hat, ganz vereinzelt Kurse auch auf Englisch. Um dem Unterricht folgen zu können, empfiehlt es sich auf alle Fälle bereits vor Antritt des Auslandssemesters Portugiesischkurse zu absolvieren. Auch wer Spanisch spricht, ist definitiv im Vorteil beim Lernen der Sprache, wobei man sich darauf nicht ausruhen sollte. Ich hatte bei Antritt meines Erasmus etwa ein A2 Niveau in Portugiesisch und kam aufgrund fließender Spanischkenntnisse relativ gut zurecht. Ich habe vor Ort beschlossen, noch einen Portugiesisch-Sprachkurs an der Uni zu belegen, um meine Kenntnisse zu verbessern. Dafür musste man zu Beginn 75€ zahlen und einen Einstufungstest machen. Leider hat uns niemand gesagt, dass es nur Kurse auf A1 und A2 Niveau gab, die wirklich bei den Basics angefangen haben und so habe ich, genau so wie viele andere Studierende mit Vorkenntnissen, relativ schnell gemerkt, dass mich der Kurs nicht weiterbrachte, weshalb ich ihn dann nicht zu Ende geführt habe. An sich finden die Sprachkurse an der Faculdade de Letras (direkt gegenüber der Faculdade de Psicologia) zweimal pro Woche abends von 18-20 Uhr statt, allerdings waren die meisten sehr unzufrieden mit ihren Lehrer*innen, weil es sich eher um Frontalunterricht handelte und es wenig sprachpraktische Übungen gab. Deshalb empfehle ich nach Möglichkeit zur Vorbereitung eher auf das Sprachkursangebot der Heimatuniversität zurückzugreifen.

Ich würde sagen, dass sich mein Portugiesisch durch den Erasmus-Aufenthalt auf ein B1-B2 Niveau verbessert hat, wobei mein Hör- und Leseverständnis am meisten profitiert haben. Dennoch ist es bis zum Schluss ehrlich gesagt ziemlich anstrengend für mich gewesen, den Kursen, die alle 3-4 Stunden dauerten, von Anfang bis Ende auf Portugiesisch zu folgen. Dazu muss ich aber sagen, dass wirklich alle Dozierenden super zuvorkommend waren und es immer auch die Möglichkeit gab, Klausuren, Präsentationen, Hausarbeiten und Wortbeiträge auf Englisch zu machen. Meiner Erfahrung nach sind ein Großteil der Erasmus-Studierenden komplett ohne sprachliche Vorkenntnisse nach Lissabon gekommen und haben es durch die Hilfsbereitschaft der portugiesischen Dozierenden und Kommiliton*innen trotzdem erfolgreich durch das Semester geschafft.

Finanzierung

Die Finanzierung des Auslandssemesters sollte nicht unterschätzt werden. Wenn möglich, ist es sehr ratsam, sich vor Antritt des Aufenthaltes ein paar Rücklagen zu schaffen, da das Erasmus-Geld bei mir erst Ende Oktober gekommen ist und ich somit zwei Monate erstmal alleine bezahlen musste. Generell sollte man das Erasmus-Geld eher als finanzielle Unterstützung ansehen, aber nicht als Hauptfinanzierungsquelle, da das Geld lange nicht reicht um alle Lebenshaltungskosten zu decken. Ich habe 540€ pro Monat von Erasmus erhalten, aber allein mein erstes Zimmer hat schon 550€ gekostet; das zweite dann „nur“ 450€. Von den Lebenshaltungskosten her ist Portugal günstiger als Deutschland, aber in Lissabon muss man mit den gleichen Preisen rechnen. Einige Sachen sind deutlich teurer, wie beispielsweise Bio-Lebensmittel, aber andere Sachen erheblich günstiger wie z.B. ÖPNV-Tickets. Sehr günstig sind auch traditionelle kleine Cafés und Restaurants im Vergleich zu den ganzen modernen Lifestyle-Cafés die durch den Tourismus und die hohe Zuwanderung immer mehr werden. Ich habe insgesamt viel mehr Geld pro Monat ausgegeben, als ich das in Heidelberg normalerweise jeden Monat tun würde, weil man im Auslandssemester mit den ganzen neuen Menschen doch sehr viel unternimmt und natürlich auch die kurze Zeit so gut wie möglich auskosten will.

Fazit

Insgesamt kann ich ein Auslandssemester in Portugal sehr empfehlen! Lissabon ist eine Stadt, die sehr viel zu bieten hat und für alle, die Großstädte mögen, sehr zu empfehlen. Ich persönlich würde das nächste Mal vielleicht eher nach Porto, also in eine etwas kleinere Stadt gehen, weil mich Lissabon manchmal von der Lautstärke und dem Trubel her ziemlich reizüberflutet und überfordert hat. Aufgrund privater Faktoren konnte ich mein Auslandssemester leider nicht vollkommen so genießen, wie ich es gerne getan hätte. Gerade zu Beginn, als ich noch niemanden richtig kannte, habe ich mich mit meinen Problemen sehr alleingelassen gefühlt und es als schwierig empfunden, mich in Kennenlernkontexten, in denen häufig viele neue Personen auf einmal da sind und Alkohol sowie Feierlaune im Spiel sind, vollständig zu öffnen. Ich habe leider erst im Dezember Menschen getroffen, mit denen ich mich richtig wohlgefühlt habe und mit denen ich das Gefühl hatte, auf einer Wellenlänge zu sein. Dieser Erfahrung soll niemanden entmutigen, ein Auslandssemester zu machen. Ich möchte eher dafür sensibilisieren, dass die Erwartungen, die man an seinen Erasmus-Aufenthalt hat (unter anderem auch durch häufig sehr romantisierte Erfahrungsberichte) oft sehr hoch sind. Allerdings braucht es seine Zeit, bis man an dem neuen Ort angekommen ist und Leute findet, mit denen man tiefe Freundschaften eingeht. Ein Semester ist viel kürzer als man denkt und einem sollte bewusst sein, dass man in vielen Situationen erstmal auf sich alleine gestellt ist. Das schöne ist, dass man sehr an seinen Aufgaben wächst und am Ende total stolz auf sich sein kann, was man alleine geschafft hat. Durch vorherige Auslandsaufenthalte in Frankreich und Ecuador im Rahmen eines Schüleraustausches hatte ich die Erwartung, ständig mit der Landessprache in Kontakt zu sein und mich richtig in die Kultur zu integrieren. Diese Erwartung zu erfüllen, ist im Rahmen eines Erasmus-Aufenthaltes allerdings sehr schwierig, da man am Ende doch die meiste Zeit mit anderen internationalen Studierenden verbringt, von denen ein großer Teil auch Deutsche sind. Auch die meisten WGs sind durch ihre hohen Preise gefüllt mit internationalen Studierenden. Die portugiesischen Studierenden wohnen meist in den günstigen Wohnheimen oder bei ihren Eltern. Das coole daran ist, dass man so aber auch Menschen aus ganz verschiedenen Ländern kennenlernt und im Zusammenleben mit ihnen verschiedenste Bräuche und Denkweisen kennenlernt.