Erfahrungsbericht Université Jean Jaurès Toulouse WiSe2022/2023

Toulouse, Wintersemester 2022/2023 (Master)

Vorbereitung

Die Bewerbung und Vorbereitung seitens Heidelbergs war gut organisiert und entspannt, da am PI und im Erasmus-Büro der Uni auch klar geregelt ist, wen man kontaktieren muss. In Toulouse empfand ich den ganzen Bewerbungs- und Organisationsprozess etwas anstrengender, da die Websites ziemlich unübersichtlich waren und man auch nicht immer direkt eine Antwort von der Universität bekommt.

Vor allem die Wahl der Kurse erwies sich als etwas nervig, weil man erst vor Ort Einsicht in die Kurszeiten hat, also in den Unigebäuden selbst. Wenn man dann Kurse verschiedener Fakultäten wählen möchte, muss man also in verschiedenen Gebäuden nach den Aushängen schauen oder in Sekretariaten nachfragen. Erst dann weiß man, ob man die im Learning Agreement angegebenen Kurse überhaupt wählen kann oder es zeitliche Überschneidungen gibt. Es empfiehlt sich daher, mehr Kurse als die ca. 30 ECTS zu wählen und einfach nach Ankunft an der Uni ein paar zu streichen. Man kann auch noch nach Beginn des Semesters die Kurse ändern, wenn ein Kurs nicht gefällt oder man sprachlich nicht gut mitkommt. Das mit der Kurswahl ist auch alles kein großes Problem, nur anfangs etwas anstrengend und unübersichtlich.

Mit ca. 540€ pro Monat und ggf. zusätzlichen Zuschuss unter bestimmten Voraussetzungen kommt man finanziell auch ganz gut klar. Was zu beachten ist, ist dass uns erst recht knapp vor Antritt des Semesters gesagt wurde, dass das Geld nur für höchstens 4 Monate (bei einem Semester) oder 7 Monate (bei zwei Semestern) ausgezahlt wird. Da wir bei einem Semester nicht viel mehr als 4 Monate (4,5) da waren, war das kein großes Problem. Ich habe nur von Leuten, die zwei Semester da waren, gehört, dass das deren finanziellen Pläne durcheinandergebracht hat, weil sie eine höhere Unterstützung erwartet hatten. Ob das nur in unserem Jahr so war, weiß ich nicht.

Anreise

Wichtig zu erwähnen ist, dass es von der Uni Heidelberg 50€ Zuschuss für die Fahrt gibt, wenn man „grünt reist“, also nicht fliegt. Nach Toulouse kommt man recht gut mit der Bahn, mit Umstieg in Paris. Dort würde ich eine recht lange Zeit zum Umsteigen einplanen, da man in Paris die Bahnhöfe wechseln muss und für das Metroticket in Paris Est meistens sehr lange anstehen muss. Ich hatte bei der Hinfahrt fast zwei Stunden Umstiegszeit und musste trotzdem noch rennen, da der Zug von Deutschland Verspätung hatte und ich danach über 30 Minuten am Ticketautomaten stand.

Unterkunft

Ich habe mich beim dortigen Studierendenwerk „CROUS“ auf einen Wohnheimsplatz beworben, wo ich auch rechtzeitig eine Zusage für ein Zimmer erhielt. Die Bürokratie war recht mühsam, da einige Dokumente/eine extra Versicherung benötigt wird. Letztendlich findet man aber auch durch das Chaos seinen Weg und es lief alles gut. Die Zimmer kosten alle ca. 250€. Einige haben sich auch danach vor Ort ein WG-Zimmer gesucht, da man die Wohnheime sehr flexibel kündigen kann. Aufpassen würde ich nur bei der Suche von WG-Zimmern online, weil ein paar Erasmus-Studis betrogen wurden und sie für ein Zimmer eine Anzahlung gemacht haben, dass am Ende gar nicht existiert hat – also: In Frankreich nie Kaution/Miete zahlen, bevor man die Schlüssel in der Hand hat.

Die Zimmer in den verschiedenen Wohnheimen dort sind alle 9qm groß. Das Bad ist jeweils im Zimmer drin und man sitzt quasi in der Dusche, wenn man auf die Toilette geht, aber man gewöhnt sich daran. Das Bett ist sehr schmal und zum Hoch- und Runterfahren, sodass man tagsüber darunter sitzen kann. Es gab Zimmer mit oder ohne kleine Kochnische. Ich persönlich würde empfehlen, ein Zimmer mit inkludierter Kochnische zu wählen, da die geteilten Flurküchen ziemlich dreckig waren und das Hin- und Herschleppen der ganzen Kochsachen auf die Dauer etwas mühsam war. Ich habe im Studentenwohnheim „Arsenal“ gewohnt, das sehr zentral ist und wo man auch in die Mensa essen gehen kann. Andere Wohnheime waren ein bisschen mehr außerhalb, aber mit Metro/Bus/Rad trotzdem noch gut zu erreichen.

Uni

Wie schon erwähnt, ist die Organisation an der Jean Jaurès manchmal etwas chaotisch. Wenn man dann aber alles geregelt hat, kommt man gut rein. Das „Chaotische“ passt auch recht gut zum Gesamtbild der Uni. Sie ist eine Campusuni, was ich selbst noch nicht erlebt habe und ganz interessant fand. In vielen Gebäuden gibt es kleine Cafés und Sitzecken, verschiedene Bibliotheken, eine Buchhandlung, viele verschiedene Veranstaltungen und Initiativen. Allgemein ist sehr viel Leben dort und ich habe es immer sehr genossen, mich in der Pause rauszusetzen und Sonne zu tanken. Während des Wintersemesters war das zwar nicht der Fall, aber im Sommersemester wurde die Uni außerdem aufgrund von Streiks oft von Studierenden besetzt und viele Kurse fielen aus. Auch das ist ein bisschen „typisch Frankreich“, da viel öfter irgendwo gestreikt oder demonstriert wird als in Deutschland.

Ich habe sowohl Bachelor- als auch Masterkurse gewählt in Psychologie und Philosophie. In Frankreich ist viel mehr Frontalunterricht und die Kurse gehen meistens zwei Stunden lang. Mir persönlich fiel es anfangs recht schwer, sprachlich zu folgen, vor allem weil es nicht immer Vorlesungsfolien gibt und vorausgesetzt wird, dass man viel und schnell mitschreibt. Teilweise stellen die Dozierenden aber ihre Folien/Dokumente zur Verfügung, wenn man sie aufgrund der Sprachbarrieren darum bittet. Außerdem ist dort viel häufiger der Fall, dass die Dozierenden innerhalb eines Semesters wechseln und jeweils nur ein paar Vorlesungen/Seminare halten. Das empfand ich aber als ziemlich interessant, weil man so innerhalb eines Themas ganz verschiedene Perspektiven mitbekam.

Inhaltlich und von der Struktur her waren die Kurse ganz unterschiedlich. Manche waren ähnlich aufgebaut wie deutsche Vorlesungen, andere viel weniger wissenschaftlich und es ging mehr um das Lesen und Diskutieren von Texten. Allgemein wird dort ein viel größerer Schwerpunkt auf Psychoanalyse gelegt als in Deutschland, was ich als sehr erfrischend empfand. Die Prüfungsphase empfand ich als nicht mehr oder weniger stressig als in Deutschland. Natürlich ist es eine größere Herausforderung, die Inhalte auf Französisch zu lernen, aber dennoch war es gut machbar. Die Prüfungen finden häufig in Form von richtigen Aufsätzen statt, was ich vom Studium in Deutschland überhaupt nicht mehr gewöhnt war. Ich habe aber auch eine Multiple-Choice Klausur und eine Hausarbeit geschrieben. Für den Master konnte ich mir ein paar Leistungen anrechnen lassen.

Außerdem gibt es noch eine Erasmus-Gruppe an der Universität: EIMA (Erasmus International Mirail Association), die von Studierenden der Universität organisiert wird. Ihr Büro ist auf dem Campus und dort war immer jemand anzutreffen und man bekam bei jeglicher Art von Fragen Hilfe. Außerdem organisieren sie sehr viele Events – Ausflüge, Zusammenkommen in der Uni, Barbesuche, Sport und so weiter, wo man sowohl mit anderen Erasmus-Studis als auch Französ*innen in Kontakt kommt. Darüber hinaus gibt es auch noch ESN in Toulouse, wo man noch Erasmus-Leute von anderen Unis kennenlernen kann. Auch dort gibt es über das ganze Semester hinweg viele verschiedene Veranstaltungen.

Leben in Toulouse

Toulouse ist eine wunderschöne, sonnige Stadt im Süden Frankreichs. Da es viele Backsteingebäude gibt, wird sie auch „La Ville Rose“ genannt und das ist auch ziemlich zutreffend. Zwar ist sie die viertgrößte Stadt Frankreichs, die Innenstadt wirkt aber trotzdem ziemlich überschaubar und man kommt gut zu Fuß oder mit der Metro zurecht.

Als ich im September angekommen bin, war es noch einige Wochen sehr warm und man konnte noch lange abends ohne Jacke draußen sein. Es gibt in Toulouse wahnsinnig viel zu unternehmen: Bar, Restaurants, Cafés, Kinos, verschiedene Theater, Orchester, Museen usw. An der Garonne oder dem Canal du Midi kann man schöne Spaziergänge machen oder den Abend mit Leuten verbringen. Auch in der nahen Umgebung sind viele kleine Städtchen wie Carcassonne, Albi oder Cordes-sur-Ciel, in die sich ein Besuch lohnt. Man kommt außerdem sehr schnell mit dem Bus oder Zug nach Spanien oder in andere französische Städte wie Bordeaux. Es gibt häufig das Angebot, für 1€ ein Zugticket zu kaufen und so bot es sich an, viele Tagesausflüge in die Umgebung zu machen. Außerdem lohnt es sich, bei warmem Wetter ans Meer zu fahren.

Mir fiel immer wieder auf, wie herzlich und freundlich die Leute in Südfrankreich sind. Allgemein fand ich den französischen Lebensstil toll – die Bars und Cafés sind immer voll und man kommt schnell mit anderen Leuten ins Gespräch. Ich kann Toulouse absolut als Stadt zum Studieren und Leben empfehlen, weil es einem dort wirklich an nichts fehlt und gleichzeitig ist es nicht so stressig oder touristisch dort wie in anderen Großstädten.

Fazit

Mir hat mein Auslandssemester in Toulouse auf allen Ebenen sehr gefallen und ich kann es jedem empfehlen, der Lust hat auf Französisch zu studieren. Der bürokratische Aufwand lohnt sich auf jeden Fall, da man dafür unvergessliche Erfahrungen sammelt – auf sprachlicher, freundschaftlicher, universitärer und persönlicher Ebene.