Erfahrungsbericht ERASMUS in Madrid (UAM, SoSe 2022)

Madrid, Sommersemester 2023 (Master)

Vorgeschichte

Tatsächlich war dies bereits mein zweiter Versuch, ein Erasmus in Spanien zu absolvieren – Corona hatte mir im Jahr zuvor einen Strich durch die Rechnung gemacht. Auch wenn ich bereits 2020/21 online von Deutschland aus Kurse von der UAM belegte (damals noch aus dem Máster en Dirección de Recursos Humanos, also dem HR-Schwerpunkt), wollte ich unbedingt auch physisch noch nach Madrid und bewarb mich daher Anfang 2021 kurzerhand erneut. Dies war möglich, weil solche durch Corona verschuldete reine Online-Aufenthalte (die natürlich auch keine finanzielle Unterstützung beinhalteten) nicht auf das verfügbare Erasmus-Kontingent angerechnet wurden.

Bewerbung

Allgemein schließe ich mich meinen Vorredner:innen an, wenn ich sage, dass der Bewerbungsprozess an sich von Heidelberger Seite aus so unkompliziert war wie von Madrider Seite kompliziert. Bei den Leuten vom ORI-Team (Oficina de Relaciones Internacionales) muss man teilweise echt hartnäckig bleiben, was z. B. die Zugangsvoraussetzungen zu deren Master-Studiengängen angeht – bei meinem physischen, dem Máster en Psicología de la Educación (also Schwerpunkt Pädagogische) war dies allerdings noch leichter als bei HR. (Ich habe argumentiert mit meinen ECTS aus Bachelor und bisherigem Master gesamt und dem nunmal unterschiedlichen Bildungssystem in beiden Ländern und hatte damit dann letzten Endes Erfolg. Trotzdem wurde ich v. a. in meinem Online-Jahr auch mehrfach unrechtmäßig wieder aus Kursen exmatrikuliert und musste dann selbst auf die entsprechenden Anwesenheitsregelungen hinweisen.) Zu empfehlen ist natürlich, sich rechtzeitig über alles zu informieren, bei einem Dozierenden um das Empfehlungsschreiben zu kümmern und auch im Learning Agreement auf Überlappungen von Kursen etc. zu achten.

Wohnungssuche

Auch wenn ich normalerweise gerne so viel Planungssicherheit habe wie möglich, wagte ich bei meinem Erasmus die Suche erst vor Ort und muss sagen, dass ich dieses Vorgehen rückblickend nur empfehlen kann. Der Wohnungsmarkt in Spanien läuft anders als der deutsche; dort wird viel kurzfristiger gesucht und vermietet. Um trotzdem für die ersten Nächte schon ein Dach über dem Kopf zu haben, buchte ich für eine Woche Ende Januar ein sehr billiges AirBnB im Zentrum, wo ich zwar nur ein winziges, dunkles Zimmer hatte, mit meiner „Gastfamilie“ aber auch super liebe Gesellschaft für die ersten Tage, die mit mir sogar eine kleine Tour durch Madrid machte.

Mein eigentliches Zimmer suchte ich dann über die Apps idealista (hier inserieren eher Vermietende) sowie badi (hier oft auch Mitbewohner:innen) und wurde bei ersterem auch recht schnell fündig. Wissen muss man, dass viele Angebote von Agenturen kommen, die gezielt auf Erasmus-Studierende abzielen und teils wirklich zwielichtig sind… bei einem der Inserate, was ich letzten Endes nicht einmal besichtigte, gab es beispielsweise in der ganzen Wohnung (nicht nur den Zimmern) kein einziges Fenster nach außen. Die Fenstersituation allgemein hat mich schon ein bisschen geschockt; nach dem großen Nachfrageanstieg haben wohl viele Vermietende einfach noch random Wände in ihren Wohnungen gezogen, um die Anzahl der zu vermietenden Zimmer zu erhöhen, was in einem riesigen Angebot an WG-Zimmern entweder komplett ohne Fenster oder mit Fenstern nach „innen“ (also in den Rest der Wohnung) resultierte. Dessen muss man sich also bewusst sein und genau für sich abwägen, was einem z. B. welchen Preis wert ist.

In meinem Fall wurde es tatsächlich eine Art Kompromisslösung – mir persönlich war v. a. eine zentrale Lage, gute Gesellschaft, auf jeden Fall ein nicht zu allzu hoher Preis sowie auch einfach eine schnelle Lösung der Wohnsituation wichtig und ich war dementsprechend bereit, in anderen Aspekten Abstriche zu machen. Mein Zimmer wurde ebenfalls für vorzugsweise Erasmus-Studierende inseriert (kurze Mietdauern bieten natürlich oft auch Vermietenden mehr Flexibilität), hatte ein Fenster zum Gang (in dem dann wiederum ein Fenster nach außen lag), kostete „nur“ 420€ monatlich, lag in meiner Traumgegend Malasaña (dort sind viele Restaurants, Bars, Cafés und kleine Geschäfte) und war in einer 5er-Mädels-WG mit sogar einer Spanierin, einer anderen Deutschen und zwei Engländerinnen. Den Vertrag schloss ich noch am Abend des Besichtigungstermins ab und musste auch direkt die Kaution bezahlen – übrigens alles in bar (wie auch jede Miete), die Gründe dafür kann man sich denken. Würde ich es wieder wählen? Wahrscheinlich schon. Besonders im Sommer war es im Zimmer zwar echt stickig, ich hatte aber sowieso vor, nicht so viel Zeit zuhause zu verbringen bzw. konnte auch immer noch auf andere Räume ausweichen; zwischenzeitlich hatte ich auch mal die Option, in eins der anderen Zimmer (mit sogar Balkon) für 220€ mehr monatlich umzuziehen, das war es mir aber irgendwie auch nicht wert und stattdessen zog dann eine österreichische Erasmus-Freundin von mir ein, was anders cool war.

Uni in Spanien

Studieren in Spanien ist anstrengend, auf eine ganz andere Weise als in Deutschland. Das spanische Unisystem ist ziemlich verschult, mit Anwesenheitspflicht, viel „evaluación continua“ (also Aufgaben, die man eigentlich wöchentlich entweder im Unterricht selbst oder danach einreichen muss) und auch wirklich vielen Gruppenprojekten. Ich wählte bewusst rein spanische Kurse (im Master hatte ich sowieso keine andere Option, im Vorjahr wäre mir dies bei Optativas, also Wahlfächern aus dem Bachelor, aber möglich gewesen), um so intensiv wie möglich an der Sprache zu arbeiten; viele meiner Freundinnen waren zusätzlich im Sprachkurs vom Servicio de Idiomas (ich hatte da im Vorjahr online schon einen belegt und war an sich zufrieden, konnte allerdings nur einen davon zum reduzierten Preis machen); eine nutzte sogar ein kostenfreies 1:1-Angebot. Der Unterricht auf der Fremdsprache ist anfangs schon ziemlich überfordernd bzw. man braucht naturgemäß seine Zeit, um reinzukommen, mit der Zeit gewöhnt man sich allerdings daran bzw. wächst natürlich auch in der eigenen Sprachsicherheit.

Cool fand ich, dass es innerhalb meines Masters (Psicología de la Educación; darin war ich übrigens die einzige Erasmus-Studierende, im Jahr zuvor bei HR auch schon) wiederum 4 verschiedene Kurspläne mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten gab; man konnte zwar trotzdem noch beliebig Veranstaltungen kombinieren, ich war jedoch besonders interessiert an Aprendizaje y Diseño Instruccional (Lernen und Lehrgestaltung) und wählte dementsprechend fast nur Kurse aus diesem Bereich, die dadurch natürlich auch zeitlich automatisch gut zusammenpassten und wodurch die Klassenkonstellationen meist sehr ähnlich waren, was mir die Integration ein bisschen leichter machte. Auch wenn ich ursprünglich mehr Kurse belegen wollte, merkte ich schnell, dass ich mich übernommen hatte und trat noch in der ersten Woche aus zwei Veranstaltungen wieder aus („Aprender a aprender y a pensar“ klang zwar super spannend, war allerdings am Freitagnachmittag und damit schwierig mit Wochenendtrips zu kombinieren, zusätzlich musste „TIC y e-learning“ weichen, einfach aufgrund des Arbeitsaufwands). Meine verbliebenen Kurse, mit denen ich gerade 15 ECTS erfüllte (die sich aber anfühlten wie mehr) waren somit “Orientación personal, académica y profesional” (an sich spannend und für 6 ECTS weniger aufwändig als die anderen für 3, aber aufgrund des fehlenden deutschen Pendants etwas schwierig zu greifen), „Motivación, evaluación, autorregulación“ (sehr interaktiv, aber 3 Präsentationen, Reflexion und Feedback zu jeder Stunde), „La enseñanza y el aprendizaje en contextos no formales: ocio y tiempo libre“ (da ging’s hauptsächlich um Museen, aber immerhin waren dadurch auch ein paar Besuche in kleineren vorgesehen – wie dem Trachten-, Naturwissenschafts- oder Amerika-Museum –, was gerade als Erasmus-Studi natürlich attraktiv war) sowie aus einem anderen Curriculum „La comunidad educativa ante los problemas de conducta“ (die Dozentin, mit der ich auch im Vorjahr schon gute Erfahrungen hatte, ist zeitgleich Vizedekanin für institutionelle Beziehungen und dementsprechend auch superlieb gerade gegenüber ausländischen Studierenden).

Spannend fand ich zudem die Unterrichtszeiten: ich hatte immer ab frühestens 16 Uhr Unterricht, was im HR-Master ebenfalls so war (ich vermute, das soll auch ein Studieren nebenbei ermöglichen); zu meinem Chronotyp hat das ganz gut gepasst, aber ich kann verstehen, wenn nicht alle Fans dieser späten Zeiten (montags war ich z. B. von 16-20:30 Uhr an der Uni) sind. Dadurch war ich persönlich auch eher selten in der Mensa essen, vom veggie-Angebot in der Zentralmensa aber sowieso nicht wirklich begeistert; die Psycho-Cafeteria war da um einiges besser aufgestellt.

Infrastruktur

Die UAM liegt ziemlich weit außerhalb von Madrid und ist am besten mit den Cercanías (einer Art S-Bahn-System) C4 zu erreichen, alternativ per Bus. Auch wenn dies bedeutete, dass der einfache Weg zur Uni immer mindestens 45 Minuten betrug (ich fuhr meist mit der Metro nach Nuevos Ministerios und stieg dort zu oder lief zu Sol), würde ich trotzdem allen empfehlen, in der Innenstadt zu wohnen und nicht auf dem Campus. Letzterer verfügt wohlgemerkt nicht einmal über einen Supermarkt, d. h. selbst einkaufen muss man von dort immer mit den Cercanías (die übrigens auch nicht rund um die Uhr fahren, was z. B. nach dem Feiern die Heimfahrt per Uber oder Taxi nötig macht), und eine Freundin von mir teilte sich im Wohnheim dort sogar ihr Schlafzimmer mit einer anderen Studentin. Wenn man unter 26 ist, ist man mit der „tarjeta transporte público“ aber sowieso super mobil, die gibt’s dann schon für 20€ im Monat und rentiert sich natürlich auch für diverse Ausflüge. Es ist zu empfehlen, sich schon vor der Ankunft online einen Termin zur Ausstellung dieser Karte zu buchen, da man sonst gerade am Semesteranfang teils etwas länger warten muss. Zur Navigation hat für mich Google Maps super funktioniert (es gibt aber auch andere, kleinere Apps); ansonsten ist noch zu erwähnen, dass ich bei Unicaja ohne Zusatzgebühren Geld abheben konnte und die Kette Clarel als Drogeriemarkt gut funktionierte. Am liebsten einkaufen ging ich (neben Carrefour, der teils auch durchgängig geöffnet ist) aber in den kleinen lokalen „chinos“, die es dort an jeder Ecke gibt. An- und abreisen muss man übrigens nicht zwangsweise per Flugzeug; ich persönlich bin FlixBus gefahren, was natürlich seine Zeit dauert (ca. 30 Stunden) und nicht unbedingt günstiger ist, allerdings die deutlich umweltschonendere Alternative, die auch über „Grünes Reisen“ etwas bezuschusst wurde. Ein weiterer Vorteil ist, dass ich mich bei der Rückfahrt nicht so sehr mit meinen Gepäckvorgaben stressen musste, weil da ja echt selten nachgewogen wird.

Ausflugsziele

Wie bereits angesprochen ist es auf jeden Fall ratsam, den „abono joven“ auch für Unternehmungen mit den Cercanías im Umfeld von Madrid zu nutzen (z. B. El Escorial, Aranjuez, Alcalá, Guadalajara etc). Mit dem Bus (ebenfalls im Ticket enthalten) kommt man außerdem in die Bergkette im Norden, die Sierra de Guadarrama, wo wir im März tatsächlich noch durch Schnee gestapft sind – Madrid hat also zwar keinen Zugang zum Meer, dafür kann man in der Umgebung aber tatsächlich super wandern gehen (z. B. bei San Agustín del Guadalix oder eben Navacerrada).

Zudem solltet ihr auf jeden Fall das Angebot der ESN Chapters vor Ort nutzen! Diese bieten neben diversen Freizeitaktivitäten (zu denen ich später noch komme) auch teilweise Kurztrips und die Mitfahrt zu ESN-Events an – 2022 war beispielsweise deren Nationalversammlung in Barcelona inkl. großer Flag Parade am Strand. Und auch deren „Integration Weekend“ zu Beginn des Semesters war total lustig und praktisch zum Kennenlernen anderer Erasmus-Leute. Daneben war ich viel mit Smart Insiders unterwegs (jeweils ein Wochenende in Granada sowie San Sebastián und Bilbao, Tagestrips zu den Messen in Córdoba und Sevilla; folgt denen am besten auf Instagram), sowie mit Madrid Urban Vibes bei den Fallas in Valencia. Die Osterferien haben eine Freundin und ich darüber hinaus genutzt, um von Algeciras (nicht so schön) bei Tarifa aus den Süden Spaniens zu erkunden, mit Cádiz, meinem persönlichen Highlight Gibraltar (auch wenn das ja theoretisch kein Spanien mehr ist – man braucht aber keinen extra Reisepass dafür) sowie Málaga; dafür ist die App Omio recht praktisch. Und auch Toledo und v. a. Segovia sind natürlich aufgrund der Nähe so gut wie unverzichtbar.

Nach Semesterende bin ich außerdem noch bis Ende Juni vor Ort geblieben und nutzte die Zeit u. a., um mir noch einen kleinen Traum zu ermöglichen und die letzten 100 km des Jakobswegs (Camino de Santiago) zu wandern. Dafür fuhr ich mit Zug und Bus (auch recht unkompliziert) nach Sarria und lief dort in fünf recht klassischen Tagesetappen auf dem „französischen Weg“ nach Santiago. Meist buchte ich dann péu a péu Betten in privaten Herbergen (einfach über booking.com); zurück ging’s wieder mit dem Zug. Für mich war die Saison perfekt – den meisten Andrang gibt es wohl im Juli und August und auch wenn ich aus 40 Grad in Madrid angereist war, war es dort gen Norden tatsächlich viel kühler und regnerischer, aber eben auch immer noch warm genug, um ohne zusätzlichen Schlafsack zu reisen.

Freizeit

Madrid als Hauptstadt gibt natürlich so einiges her: Museen (mir persönlich hat das Thyssen besser gefallen als das Prado und v. a. das Reina Sofía), Konzerte und Feste (z. B. zu San Isidro), Clubs (in Chueca waren wir mal bei einer Drag-Show, das war ziemlich cool) etc. Über die Uni lief ich beim UAM Run mit; meine Lieblings-ESN-Aktivität war der kostengünstige Salsa & Bachata-Kurs, der vom zugehörigen Chapter der UPM angeboten wurde. (Als Erasmus-Studi ist man diesbezüglich nicht immer an seine eigene Uni gebunden.) Ebenfalls von der UPM wurde ich über das gemeinsame Integration Weekend auf eine Gruppe aufmerksam, die regelmäßig vegetarisch/vegan essen ging und der ich mich dann ebenfalls anschloss. Die veganen Restaurants in Madrid waren allgemein ein echtes Highlight – meine Favoriten: Pizzie & Dixie (italienisch), Los Andenes (peruanisch), B13 bar (verschiedene Tapas und alles echt günstig) sowie Mad Mad Vegan (v. a. Burger). Super second hand-shoppen gehen kann man ferner eigentlich in der gesamten Calle de Velarde, und bei Acquolina ums Eck gibt’s auch vegane Eissorten.

Abends kann man außerdem von mehreren Orten aus entspannt den Sonnenuntergang beobachten, auf die Lichter der Stadt herunterblicken und Sangría trinken, was ich auch mit Besuch super gerne gemacht habe. Unser Lieblingsplatz war definitiv beim Templo de Debod, ein bisschen außerhalb per Metro zu erreichen ist Siete Tetas, oder man geht einfach zum Palacio Real. Der Vollständigkeit halber sei auch noch der Retiro als grüne Lunge der Stadt zum Picknicken, Sport machen oder Tretbootfahren erwähnt; sonntags findet in La Latina zudem der schnuckelige Straßenmarkt Rastro statt, der gefühlt das komplette Viertel bedeckt.

Fazit

Erasmus in Madrid ist ein ErasMUSS! Wenn ihr noch zweifelt, macht es unbedingt. Ich hatte ungefähr die beste Zeit meines Lebens dort, bin extrem dankbar für diese Erfahrung und kann sie eigentlich uneingeschränkt nur jeder und jedem ans Herz legen :)