Erfahrungsbericht Erasmus in Mailand

Mailand 4EU+, Sommersemester 2023 (Master)

Anreise

Für die Anreise nach Mailand gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich persönlich habe im Laufe des Semesters sowohl den Zug als auch Flixbus genutzt. An manchen Tagen gibt es eine direkte Zugverbindung von Mannheim nach Mailand, mit der man in ca. 6 Stunden ankommt. Dabei lohnt es sich etwas im Voraus zu buchen, weil der Zug oft stark frequentiert ist. Mit dem Flixbus fährt man am besten zum Mailänder Busbahnhof Milano Lampugnano und kann dann von dort mit der Metro weiterfahren. Eine dritte Option ist die Anreise mit dem Flugzeug, entweder nach Milano-Linate, Milano-Malpensa oder Bergamo.

Unterkunft

Die Wohnungssuche in Mailand gestaltet sich eher schwierig. Je nach Verfügbarkeit gibt es die Möglichkeit, für einen günstigen Preis in einem der Wohnheime der Universität unterzukommen. In den Wohnheimen ist es üblich, dass sich zwei Studierende ein Zimmer teilen. Außerdem gibt es recht strenge Besucherregeln. Von den Wohnheimen abgesehen finden viele Personen eine Wohnung über Facebook oder durch Kontakte. Oft genutzte Webseiten sind außerdem DoveVivo, Housing Anywhere, AirBnB und Habyt. Auch hier sind zum Teil Doppelzimmer (Camera doppia) ausgeschrieben. Für Einzelzimmer (Camera singola) ist dafür der Preis noch mal höher, meistens ab 750 € aufwärts für eine Monatsmiete. Ich habe mein Zimmer in einer 14er-WG im Viertel Loreto über Habyt gefunden und war damit sehr zufrieden. Ein Großteil der anderen Mitbewohner war ebenfalls Erasmus-Studierende, sodass ich direkt Anschluss finden konnte. Um den Vertrag abzuschließen habe ich eine italienische Steuernummer (Codice Fiscale) benötigt, die man im italienischen Konsulat in Stuttgart beantragen kann. Generell wird in Italien der Codice Fiscale oft als Nachweis genutzt, beispielsweise beim Kauf einer italienischen SIM-Karte oder eines Monatstickets für die öffentlichen Verkehrsmittel.

Universität

Die Università degli studi di Milano, auch La Statale genannt, ist die staatliche Universität in Mailand. Ihr Hauptgebäude liegt nur wenige Gehminuten vom Dom im Stadtzentrum entfernt und ist in einem ehemaligen Krankenhaus aus dem 15. Jahrhundert angesiedelt. Die einzelnen Veranstaltungen können aber je nach Fakultät über die Innenstadt verteilt sein. Ich habe insgesamt drei Kurse der Fakultät für Humanities besucht: History of British Theatre, Mind and Brain und Deutsche Gegenwartsliteratur. Bei den ersten beiden Kursen war die Unterrichtssprache Englisch, beim letzten Deutsch. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, italienische Veranstaltungen zu besuchen, aber die Auswahl an englischsprachigen Veranstaltungen ist ebenfalls sehr groß. Im Unterschied zu meinem Stundenplan in Heidelberg, hatte ich meine Kurse in Mailand zwei- beziehungsweise dreimal die Woche, wobei es oft zu Überschneidungen kommen kann. Theoretisch gibt es in den Kursen eine Anwesenheitspflicht, weil Non-Attendees für die Prüfungen zusätzlichen Lernstoff vorbereiten müssen. In meinen Veranstaltungen wurde das allerdings nicht überprüft, sodass es kein Problem war, meine sich überschneidenden Veranstaltungen immer im Wechsel zu besuchen und mir von Mitstudierenden die Notizen geben zu lassen. Prüfungsrelevant sind ohnehin oft nicht die Vorlesungen selbst, sondern die von den Dozierenden ausgewählten Bücher oder Buchkapitel. Mir haben meine Veranstaltungen großen Spaß gemacht, auch wenn das Lesepensum für mich größer als gewohnt war. Der Kurs zum Britischen Theater stand unter dem Motto Konflikt und Gewalt in unterschiedlichen Epochen. Wir haben zunächst Hamlet und Romeo und Julia von Shakespeare gelesen und uns dann aktuelleren Werken von Edward Bond und Harold Pinter aus dem letzten Jahrhundert gewidmet. Besonders schön fand ich, dass wir im Semester auch mehrmals ins Theater gegangen sind und die Möglichkeit hatten, mit Schauspielern und Intendanten zu sprechen. Der Kurs Mind and Brain hatte von meiner Auswahl am ehesten etwas mit Psychologie zu tun. Der Dozent war ein Kognitionspsychologe und der Kurs war darauf ausgerichtet, Philosophiestudierenden die Grundlagen von Neurobiologie näher zu bringen. Dadurch waren mir viele der Hirnareale und ihre Funktionen schon bekannt, aber die philosophische Perspektive auf das Thema war für mich neu. In der Veranstaltungen zur Deutschen Gegenwartsliteratur haben wir fünf Bücher von Autorinnen gelesen, die nicht in Deutschland geboren, aber im Laufe ihres Lebens in den deutschsprachigen Raum emigriert sind und die begonnen haben, auf Deutsch zu schreiben. Hier war es für mich sehr interessant zu erfahren, wie die italienischen Germanistik-Studierenden auf verschiedene Themen blicken und was sie so über die deutsche Sprache und Deutschland lernen. In diesem Kurs habe ich auch am ehesten Freundschaften geschlossen, weil ein beidseitiges Interesse bestand.

Für alle drei Kurse hatte ich am Ende des Semesters mündliche Prüfungen. Dabei gibt es verschiedene Prüfungstermine, sogenannte appelli. Wenn man mit seiner Note zum ersten Termin nicht zufrieden ist, kann man diese ablehnen und es beim nächsten Termin erneut versuchen. Das Notensystem in Italien reicht von 0 bis 30, wobei man mindestens 18 zum Bestehen braucht. Die beste Note ist 30 e lode, sozusagen 1+. Zum Lernen bin ich oft in die Bibliothek gegangen oder in den Lesesaal der Fondazione Feltrinelli, von dem aus man einen schönen Blick über die Stadt hat. Allerdings muss man in beiden Fällen im Voraus einen Sitzplatz reservieren.

Leben

Mailand hat als Großstadt unglaublich viel zu bieten. Zur Fortbewegung lohnt sich meiner Meinung nach das Monatsticket der Metro, welches für Personen unter 26 22€ kostet. Italienischkenntnisse sind auf jeden Fall hilfreich, meiner Erfahrung nach aber nicht unbedingt nötig. Die Mailänder Sektion des Erasmus Student Network (ESN) ist sehr aktiv, so gut wie wöchentlich wurden verschiedene Aktivitäten für die Erasmus Studierenden angeboten. Durch die ESN-Veranstaltungen habe ich deshalb viele Freunde gefunden.

Auch kulturell gibt es in Mailand viel zu entdecken. Neben der stets präsenten Mode gibt es viele Musikveranstaltungen, seien es Konzerte im Stadio San Siro und dem Mediolanum Forum oder klassische Konzerte wie die im berühmten Teatro alla Scala. Darüber hinaus gibt es eine Reihe an Museen. Geprägt ist das Stadtbild auch von vielen Parks. Neben dem oft etwas überfüllten Parco Sempione haben mir vor allem der Parco Lambro, Monte Stella und der Orto Botanico di Brera gut gefallen.

Mailand beziehungsweise Italien generell ist nicht umsonst bekannt für seine Ausgehkultur und das leckere Essen. An allen Ecken und Enden finden sich Bars und Cafés. Ein besonders beliebtes Konzept ist der sogenannte Aperitivo. Für einen geringen Preis bekommt man hier am frühen Abend eine Kombination aus (alkoholischem) Getränk und Essen, welches je nach Bar unterschiedlich üppig ausfällt. Gerade wenn man viel weggeht, können die Lebensmittelkosten schnell etwas höher werden. Ich habe gerne die App Too good to go genutzt, bei der es täglich eine große Auswahl an Lebensmitteln, die ansonsten weggeschmissen werden würden, zu einem günstigeren Preis gibt. Solltet ihr vegetarische oder vegane Optionen suchen, kann ich die Restaurants/Bars Alhambra, Fairouz, Flower Burger, Brolo Orto, Radicetonda und Riad majorelle sehr empfehlen. Allen die Swingtanz/Lindy Hop machen, möchte ich das Spirit de Milan ans Herz legen, hier kann man zu Live-Musik in die Nacht tanzen.

Fazit

Mailand ist sehr voll und gerade an den großen Straßen sehr chaotisch und trubelig. Deshalb habe ich ein bisschen gebraucht, um anzukommen. Mit der Zeit habe ich den Großstadtflair aber sehr zu schätzen gelernt. Durch die vielen verschiedenen Angebote war Mailand deshalb für mich die perfekte Erasmus-Stadt und ich konnte eine Vielzahl an unvergesslichen Erinnerungen sammeln, auf die ich gerne zurückblicke.