Erfahrungsbericht SoSe 2023 in Padua

Padua, Sommersemester 2023 (Bachelor)

Im Sommersemester 2023 war ich zum Erasmus-Auslandsstudium in Padua, wo ich eine unvergessliche Zeit verbringen durfte, wofür ich sehr dankbar bin. Die Erfahrungen und Eindrücke, die ich dabei gewinnen konnte, die Orte, die ich bereisen und die Freundschaften, die ich schließen konnte, würde ich auf keinen Fall missen wollen. Insgesamt kann ich ein Semester in Padua zu studieren uneingeschränkt empfehlen.

Warum Padua?

Zum einen, gibt es nicht wirklich italienische Alternativen bei uns am PI, zum anderen ist Padua eine wirklich gute Wahl: eine zwischen Verona und Venedig gelegene Studierendenstadt, von der man recht unkompliziert Italien erkunden kann und die nicht touristisch überlaufen ist, aber trotzdem extrem schöne Ecken aufweist. Auch das Psychologische Institut ist ein starker Grund, um in Padua zu studieren: Sehr renommiert, sehr groß (ca. 6000 Psychologie-Studierende) und international aufgestellt – sodass es mehrere vollständig englische Psychologie Bachelor- und Master-Studiengänge gab. Sogar ohne der italienischen Sprache besonders mächtig zu sein, kann man in Padua den italienischen Flair besonders spüren, sehr gut die Region Veneto und Orte darüber hinaus erkunden und dabei auch noch ziemlich gut studieren.

Bewerbung

Diese Kombination hört sich gut an? Denken sich eine Menge andere Leute auch, was dazu führt, dass es aufgrund recht vieler Bewerber*innen nicht ganz einfach ist, einen der beiden Erasmus-Plätze am PI zu ergattern (ich kam auch nur aufgrund einer Absage als Nachrücker an meinen Platz). Ein weiteres Ergebnis der hohen Beliebtheit Paduas ist, dass sich dort sehr viele internationale (deutsche) Studierende aufhalten. Zusätzlich zu Erasmus gibt es aber noch alternative Wege nach Padua, bspw. die Coimbra Group (davon gibt es auch zwei Plätze für Padua, die Förderung ist sehr ähnlich, die Bewerbungsfrist meines Wissens aber etwas früher(!)) oder man bewirbt sich (deutlich früher) auf ein Stipendium (z.B. die Studienstiftung) und versucht damit, dann als „Freemover“, ins Ausland zu kommen, da die Förderwerke oftmals die Studiengebühren übernehmen. In jedem Fall ist es zu empfehlen, die entsprechenden Büros zu kontaktieren bzw. ein Gespräch zu suchen, da hier alle offenen Fragen sehr schnell geklärt werden. Generell muss man sich recht früh bewerben: wenn man z.B. im SoSe 2023 ins Ausland wollte, war die Bewerbungsfrist für Erasmus im Januar 2022, also mehr als ein Jahr im Voraus.

Wohnen

Ist dieser Schritt geschafft, stellt sich die Frage, wo man in Padua unterkommt. Der Wohnungsmarkt ist leider mindestens so herausfordernd wie in Heidelberg, deshalb empfiehlt es sich auch mit der Wohnungssuche früh anzufangen. Das „WG-gesucht“ in Italien sind einschlägige Facebook-Gruppen. Die Erfolgschancen dabei sind dabei bedauerlicherweise überschaubar, zudem muss man vorsichtig sein, da es aufgrund des harten Wohnungsmarktes viele Scams gibt. Generell würde ich keine (hohen) Zahlungen im Voraus tätigen, sondern erst, wenn man die Wohnung wirklich gesehen, oder von einer Person, der man vertraut, besichtigen lassen hat. Neben Facebook gibt es noch diverse andere Seiten wie „housing anywhere“ oder „bedstudent“. Die Uni Padua schickt dazu aber auch eine Übersicht, nachdem man dort nominiert ist. Natürlich gibt es auch in Padua Wohnheime, allerdings ist es dort oft üblich sich mit einer/m anderen Student*in das Zimmer zu teilen – was gut funktionieren, aber auch anstrengend sein kann. Zudem gibt es nicht selten strenge Besuchsregeln. In meinem Fall kam ich über einen Tipp einer Freundin (die ein halbes Jahr vor Erasmus-Start in Padua war und dort ihre Vormieterin zufällig kennengelernt hatte) an ein WG-Zimmer. Neben den recht hohen Mietkosten (bei mir waren es 538€ im Monat, ab nächstes Semester soll die Miete allerdings erhöht werden) war etwas speziell, dass wir (4 Erasmus-Studis) mit unseren Vermietern zusammenwohnten und so auch Bäder und die Küche teilten. Auf der Habenseite stand jedoch, dass sich unsere Vermieter um den WG-Putz kümmerten, mein Zimmer geräumig mit Doppelbett und die Lage mitten in Portello einfach perfekt war und ich insgesamt wirklich sehr zufrieden mit dieser Unterkunft war. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass eine weitere erfolgversprechende Strategie darin besteht, schon gegen Ende des alten Semesters in die Padua-Erasmus-Gruppen auf WhatsApp zu gehen, da hier Erasmus-Studis häufig versuchen Zimmer, für die sie noch einen Monat Mietvertrag haben, unterzuvermieten – und man aufgrund dieser Gesuche den Kontakt herstellen kann.

Mobilität

Die An- und Abreise war recht unkompliziert mit dem Zug. Von München aus fährt sogar eine Direktverbindung und bei frühzeitiger Buchung ist die Strecke (insbesondere an Werktagen) gut bezahlbar. In Padua lohnt es sich definitiv in ein günstiges Fahrrad zu investieren, da es zwar Trams und Busse gibt, diese aber speziell abends recht unflexibel machen. Eine Alternative ist „RideMovie“, was ähnlich wie „Nextbike“ funktioniert. Mit Zügen und Flixbus kommt man in Italien generell auch sehr gut (wenn auch nicht immer günstig) an sein Ziel.

Uni & Psychologie-Studium

Wie bereits einleitend angeklungen, ist die Uni Padua für Psychologie wirklich beeindruckend. Da man auch Masterkurse belegen darf, ist die Bandbreite der Kurse auch ziemlich divers. Soweit ich das überblicken konnte, gab es vor allem Vorlesungen und nicht wirklich Seminare, jedoch fanden diese Vorlesungen in kleineren Gruppen statt, waren teilweise etwas interaktiver als Vorlesungen in Heidelberg und die Prüfungsleistungen beinhalteten manchmal (nur) eine mündliche Prüfung. Bei manchen Vorlesungen gibt es Anwesenheitspflicht. Interessant war, dass es (mindestens für einige Erasmus-Studierende) üblich war, sich in der ersten Woche in verschiedene Veranstaltungen zu setzen und erst nach diesem Eindruck zu entscheiden, welchen Veranstaltungen man final folgen will.

Zu beachten ist, dass der Sprachkurs erst zwei bis drei Wochen nach dem universitären Veranstaltungsbeginn startet, was dazu führen kann (falls der Sprachkurs eine wichtige Priorität darstellt), dass man einen eigentlich fertigen Stundenplan doch noch überarbeiten muss und es sich deshalb eventuell empfiehlt alternative Veranstaltungen zu berücksichtigen. Ich habe neben einem B1-Italienisch-Sprachkurs folgende Veranstaltungen belegt: „New Trends in Neuroscience“ (anders als der Name vermuten lässt, geht es hier darum, wie ein neuer wissenschaftlicherer Ansatz bzgl. „insanity evaluation“ zu einer besseren und faireren Rechtsprechung in forensisch psychiatrischen Fällen führt -> spannend, mittlerer Aufwand), „Psychology of Music“ (-> mittel spannend, geringer Aufwand), „Clinical Neurospychology“ (hier ging es primär um neurologische Erkrankungen, z.B. Aphasien oder Parkinson, aber auch darum wie diese mit psychiatrischen Krankheiten zusammenhängen -> sehr spannend, aber recht aufwändig) und „Animal and Human Behaviour: a Comparative Perspective“ (spannend, teilweise recht kontrovers, evolutionspsychologisch, mittlerer Aufwand). Insgesamt fand ich mit diese Veranstaltungen sehr bereichernd und war positiv überrascht, in allen Veranstaltungen (außer vielleicht „Psychology of Music“) eine neue bzw. andere Perspektive auf Psychologie bzw. psychiatrische Erkrankungen zu erhalten. Während im approbationskonformen Bachelor in Heidelberg der Fokus auf einem klassisch psychologischen und „psychotherapeutischen“ Blick auf bestimmtes normabweichendes Verhalten (zumindest in meiner Wahrnehmung) dominiert, wurde diese Perspektive in Padua durch evolutionspsychologische, neurologische und forensische Sichtweisen ergänzt. Diese fachliche Bereicherung war intellektuell sehr spannend und ich konnte dadurch mein Fachwissen erweitern.

Freizeit und Reisen

Außerhalb der Uni hat Padua natürlich auch viel zu bieten. Insbesondere ab Mai, als der Sommer voll in Italien angekommen war, tat sich eine überraschende Vielfalt an Aktivitäten auf, welche man in der Stadt unternehmen konnte. Gefühlt liefen permanent mehrere Festivals parallel, in Portello öffnete die am Kanal gelegene outdoor-Barstraße Navigli (die auch tagsüber während der heißen Klausurenphase schattige Tische bot; auch sehr zu empfehlen ist die Bar „Straße“), die Clubs verlagerten ihre Lokalitäten von stickigen Innenräumen nach draußen und die Atmosphäre in der Stadt lud ein, sommerliche Abende und Nächte auf den Piazze oder am Prato della Valle zu verbringen.

Nahe an Padua gelegen sind außerdem die Colli Euganei, eine nicht-alpine Bergregion, in der man beim Wandern oder Fahrradfahren (oder einem Besuch in den dortigen Thermen) einen schönen Ausgleich finden kann. Mit dem nahegelegenen Venedig (30 Minuten mit dem Zug), dem Badestrand bei Chioggia oder größeren Städten wie Verona oder Bologna in guter Zug-Reichweite, kann man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln viele schöne Orte von Padua aus erkunden. Zudem kann man recht unkompliziert Autos mieten (oder auf Besuch warten :)) damit man etwas entlegenere und ruhigere Orte erreicht, bspw. das Po-Delta, Strandabschnitte an der Adria, an die man mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gelangen kann oder auch in die Dolomiten. Besonders in Erinnerung sind mir zudem Reisen in die Toscana oder nach Neapel geblieben.

ESN und Leute kennenlernen

In Padua gibt es ein ziemlich aktives ESN (European Student Network). Quasi jede Woche (z.T. öfters) organisieren die ESN-Menschen Events, von Pub-Abenden und Kletterkursen über verschiedene Ausflüge und Info-Abende und bis hin zu einer Bootparty und einem Wochenende in Rimini (was allerdings aufgrund der Überschwemmungen ins Wasser fiel). Wirklich teilgenommen habe ich allerdings nur bei einem schönen Trip nach Verona im März sowie an verschiedenen Aktionen der „Welcome-Week“, welche sehr praktisch war, um von der ersten Woche in der neuen Stadt an, neue Menschen kennenzulernen. Da sich recht schnell Freundschaften bildeten, wurde nach dieser Woche zudem bereits vieles privat organisiert.

Fazit: Erasmus-Bubble und italienische Kultur Das Erasmus-Semester war eine extrem tolle Erfahrung, wofür in der Rückschau vor allem ein Gefühl der Dankbarkeit bleibt. Dadurch, dass man zusammen mit anderen Menschen anfangs etwas orientierungslos in einer neuen Stadt strandet und es gilt, sich mehr oder weniger ein neues Leben vor Ort aufzubauen, schafft man es, mit einer großen Offenheit auf die neuen Menschen zuzugehen und dadurch viele Menschen kennenzulernen, Verständnis füreinander zu entwickeln und zusammen besondere Momente zu erleben. Da sich in diesen neuen Beziehungen Teile der eigenen Persönlichkeit spiegeln, würde ich auf jeden Fall sagen, dass man in der Erasmus-Zeit manches Neue über sich selbst lernen kann – genauso wie über das Land, in dem man lebt. Logischerweise kann man am einfachsten in eine etwas fremde Kultur eintauchen, wenn man mit den Menschen vor Ort in Kontakt kommt. Da es in Padua aber auch eine ganze Menge deutscher und internationaler Studierender gibt, die einerseits sehr nett sind und andererseits genau wie man selbst auf der Suche sind nach Personen, die die Zeit mit ihnen teilen können, ist es sehr leicht in einer Komfortzone zu bleiben, in der man vor allem zur (deutschen) Erasmus-Bubble engen Kontakt hält. In der Rückschau finde ich es trotz der unglaublich schönen Zeit manchmal etwas schade, dass ich oft genau das gemacht habe.

Über Sport-, oder Tanzvereine oder Sprachtandems haben es Freunde von mir besser geschafft, mit Italiener*innen in Kontakt zu kommen und auch ihre Sprachkenntnisse praktisch zu erproben. Da im Uni-Kontext bei anfänglichen Sprachschwierigkeiten ziemlich schnell auf Englisch gewechselt wird, können außer-universitäre Freizeitaktivitäten hinsichtlich der Sprachverbesserung einen Vorteil bieten.

Allerdings war allein die lange Zeit in Italien prägend und ich konnte durch das Besichtigen verschiedener Städte, das Beobachten der Leute, dem gleich-getakteten Alltag synchron zu den Italiener*innen und dem Austausch mit Freunden über erlebte Italien-Erfahrungen trotzdem ein besonderes Gefühl für das Land und seine Menschen bekommen und für viele Momente das Eintauchen in das italienischen Flair genießen. Fragen gerne an: georg.schoenit@online.de