Erfahrungsbericht zum Auslandssemester 

Madrid, Wintersemester 2019/2020 (Bachelor)

Hallo! Ich habe im Wintersemester 2019/20 ein Auslandssemester an der Universidad Autónoma de Madrid absolviert und würde euch gerne einiges darüber berichten. Nun gibt es schon einige gute und ausführliche Erfahrungsberichte mit vielen praktischen Tipps, daher wird sich hier gewiss vieles wiederholen. Doch wie man so schön sagt: Doppelt hält besser. Auch werde ich versuchen, gute und schlechte Erfahrungen mit aufzunehmen, denn obwohl das Erasmussemester eine super Erfahrung war, die ich jedem empfehlen kann, gab es auch Dinge, die ich gerne anderes gemacht hätte und die für euch vielleicht wichtig sein könnten.

Organisation:

Die Vorbereitung war für mich gar nicht sooo kompliziert und anstrengend, wie ich es aus irgendeinem Grund befürchtet hatte. Natürlich muss man einiges an Papierkram erledigen und sich in das auf den ersten Blick komplizierte System der spanischen Uni einarbeiten, aber letztendlich ist das alles machbar. Und obwohl die Erasmuskoordinatoren aus Spanien länger zum Antworten brauchen, als wir es von unserem Institut gewohnt sind, helfen diese gerne weiter. Hier kann man sich auch schon das erste Mal in Geduld üben. Die Kurse an der psychologischen Fakultät kann man online schon von Deutschland aus wählen, doch auch nach der ersten Woche „Probezeit“ des Semesters noch ändern oder wie es bei mir war, das komplette Learning Agreement nochmal über den Haufen werfen. Kurse, die mir Spaß gemacht haben und in denen man meiner Meinung nach als Erasmusstudent gut aufgehoben ist, waren vor allem Sexualidad (ähnelt der Gendervorlesung bei uns) und Psicología forense y Criminología (der Prof ist absolut der Hammer und es macht super viel Spaß!). Beliebte Kurse wie letzteren solltet ihr auf jeden Fall direkt nach Veröffentlichung der Kurse von Deutschland aus wählen, denn an dieser Universität gilt das First-Come-First-Serve-Prinzip.

Ein Zimmer habe ich erst vor Ort gesucht, was auch problemlos funktioniert hat und das Stadtviertel Malasaña ist eine großartige Gegend zum Wohnen. Ihr könnt dafür diverse Internetseiten nutzen, ich fand mein Zimmer über idealista. Leider wohnte meine spanische Vermieterin mit in der Wohnung und war ein absoluter Kontrollfreak, was mir so manchmal enorme Schwierigkeiten bereitete. Nehmt euch daher etwas Zeit und reist gegebenenfalls vor Semesterstart an, um nicht gleich das erste freie Zimmer zu nehmen und euch ein wenig Zeit bei der Suche lassen zu können. Im Stadtteil Malasaña findet man viele kleine Geschäfte sowie Bars und es grenzt direkt an Sol an, von wo man mit dem Zug zum etwas außerhalb gelegenen Campus fährt. Kümmert euch dafür rechtzeitig um eine Metro Card, mit der man natürlich die Metro, aber auch die Cercanias (Züge) fahren kann. Termine macht man online und holt dann seine Karte in einem der Büros ab, die meist an den größeren Stationen zu finden sind. Wenn ihr die Karte habt, könnt ihr diese dann für 20 Euro jeden Monat an den Automaten aufladen.

Ich würde euch außerdem empfehlen, euch frühzeitig über ESN-Events zu informieren, denn das lief bei mir nicht so gut. Zu Beginn war ich damit beschäftigt die Stadt kennen zu lernen und mich zurecht zu finden (und bin eine absolute Katastrophe, wenn es um Facebook geht), sodass sich viele Erasmusstudenten schon kennen gelernt und sich viele Gruppen schon gebildet hatten. Natürlich habe auch ich viele interessante Menschen kennen gelernt und gute Freundschaften geschlossen, dennoch lohnt es sich gerade zu Beginn an einigen ESN- Veranstaltungen teilzunehmen.

Studium:

Wenn das Semester dann erstmal los geht und man sich für Kurse entschieden hat, die man gerne besuchen möchte, dann hat man auch endlich Zeit, richtig anzukommen. Das Studium ist an der spanischen Uni etwas anders gestaltet als bei uns. Es gibt viele Kurse, in denen Gruppenarbeiten und praktische Anteile eine große Rolle spielen. Das hat mir zu Anfang etwas Angst gemacht, da ich nicht wusste, wie die spanischen Studierenden auf mich reagieren werden. Hier habe ich aber hauptsächlich gute Erfahrungen gemacht, die Kommilitonen waren sehr hilfsbereit und geduldig mit mir. Ich hatte zwar den Eindruck, dass diese nicht unbedingt an einer Freundschaft oder privaten Kontakt mit Erasmusstudenten interessiert waren, aber auch ich denke jetzt anders über Erasmusstudenten als vor meinem Auslandssemester. Ich habe mir vorgenommen offener zu sein und auch mal auf diese zuzugehen, denn oft wirkt man unabsichtlich vermutlich etwas abweisend und desinteressiert. Es werden auch einige Kurse auf Englisch angeboten, in denen man dann aber hauptsächlich Erasmusstudenten findet. Ich habe zusätzlich einen Sprachkurs an der Uni gemacht, welcher mir viel Spaß gemacht hat und in welchem ich noch viel lernen konnte. Auch die Profs waren generell sehr entgegenkommend und hilfsbereit, wenn ich am Anfang gemerkt habe, dass diese eher nicht so Lust auf Erasmusstudenten haben, dann habe ich den Kurs lieber nicht besucht.

Leben in Madrid:

Für mich war das Leben in einer solchen Großstadt wie Madrid eine ganz neue Erfahrung und auch Herausforderung. Ich habe es einerseits genossen so viele Möglichkeiten zu haben und immer neue Ecken kennen zu lernen, andererseits war ich das eine oder andere Mal auch sehr überfordert. Ich nenne jetzt mal einige meiner Lieblingsorte, die es sich meiner Meinung nach lohnt zu besichtigen: Retiro-Park, Parque de las siete tetas (ja, der heißt so :D), Casa de Campo, alle veganen Restaurants in Malasaña, die berühmten Museen Prado und Reina Sofia und natürlich den wöchentlich stattfindenden Flohmarkt El Rastro. Das sind nur einige Beispiele, es gibt noch so viel mehr zu entdecken! Freunde von mir wohnten in den Stadtteilen Lavapiés und La Latina, welche auch sehr schön und gut gelegen sind. Die Stadt ist wirklich immer voller Menschen (außer in den frühen Morgenstunden) und rund um Sol ist ständig etwas los. Generell hat mich das halbe Jahr in Madrid sehr viel Geld gekostet, da die Mieten für ein Zimmer in guter Lage oft hoch sind (um die 500 Euro) und die vielen abwechslungsreichen Angebote oft dazu einladen, mit Freunden etwas essen oder trinken zu gehen. Doch genau das würde ich auch wieder so machen, denn genau hierbei lässt sich die spanische Kultur erleben, wenn man gegen Abend mit seinen Freunden bei tapas und vielleicht einigen cervezas zusammensitzt. In den ersten Wochen war es noch sehr warm und die kühlen Wohnungen waren eine Wohltat. Doch spätestens ab November war es teilweise kälter als in Deutschland und ich habe viel gefroren, da es in meiner Wohnung keine Heizungen gab und ich mich mit warmen Socken und einem kleinen Heizlüfter durschlagen musste. Das ist sicherlich nicht in allen Wohnungen so, dennoch gar nicht so untypisch und falls ihr im Wintersemester nach Madrid wollt, nehmt euch auf jeden Fall warme Sachen mit.

Reisen:

Madrid bietet eine gute Ausgangslage, um weitere Städte und Regionen in Spanien zu besichtigen. Es gibt einige Busunternehmen (z.B. Alsa) oder auch Züge, die eine preiswerte Reisemöglichkeit sind. In nur zwei bis vier Stunden ist man in Salamanca, Bilbao oder Valencia. Auch ein Ausflug in den Süden Spaniens lohnt sich, um Städte wie Sevilla, Granada oder Malaga zu besuchen. Ich habe einiges davon gar nicht mehr geschafft, denn die Zeit in Madrid ging schließlich doch sehr schnell vorbei, also wartet nicht zu lange und nutzt freie Wochenenden für tolle Ausflüge! Einige Male reiste ich mit Blabla Car, was meist noch preiswerter ist und wenn ihr euch traut, eine weitere gute Möglichkeit mal mit Spaniern ins Gespräch zu kommen.

Klausuren:

Generell fand ich das Niveau der Kurse nicht so hoch wie bei uns in Deutschland, habe aber doch regelmäßig nachgearbeitet und auch gelernt, gerade da es auf einer anderen Sprache mehr Arbeit ist. Doch die Klausuren, die ich geschrieben habe, waren alle ausschließlich Multiple Choice, was zwar häufig, aber dennoch nicht in allen Vorlesungen so ist. Diese zu bestehen ist dann eigentlich kein Problem und durch die Gruppenarbeiten und Aufgaben über das Semester verteilt, sammelt man meist auch schon einige Punkte. Letztendlich würde ich mir die Klausuren und Prüfungsleistungen betreffend keine Sorgen machen, das schafft ihr auf jeden Fall!

Fazit:

Ein Erasmussemester ist definitiv eine Erfahrung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Man kann in einer ganz neuen Stadt in einem fremden Land neue Menschen kennen lernen, eine neue Kultur entdecken, nebenbei ein bisschen studieren (:D), aber auch nochmal viel über sich selbst lernen. Madrid als pulsierende Stadt voller Lebenslust ist hierfür gut geeignet und gerade für jemanden, der den Trubel einer Großstadt mag oder mal kennen lernen will, sehr empfehlenswert. Falls ihr noch weitere Fragen habt, könnt ihr mich gerne ansprechen, ich versuche euch weiterzuhelfen