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Laudatio zum Franz E. Weinert-Gedächtnispreis 2008

« Zurück zum Jahrgang Diplom 2008 Über den Franz E. Weinert-Gedächtnispreis
Von Lisa Irmen Lesezeit: 4 Minuten

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Das Schreiben einer Diplomarbeit macht ein wenig einsam. In einem bestimmten Gebiet erarbeitet man sich eine enorme Expertise, die zunehmend kaum mehr jemand teilt. Von denen, die ohnehin nicht mehr so richtig verstehen, was man da eigentlich macht, warum alles so kompliziert ist und warum das alles so lange dauert, haben nur wenige die Geduld, sich noch ausführliche Erklärungen anzuhören. Der Kreis der mitfühlenden Zuhörer wird also stetig kleiner, während die Häufigkeit der krisenhaften Zustände stetig zunimmt.

Warum ist das Schreiben einer Diplomarbeit so schwer? Es ist wahrscheinlich die komplexeste und langwierigste berufliche Aufgabe, die Sie jemals bewältigt haben. Über Monate war das Ihre Groß-Baustelle. Diesen Prozess haben alle, die heute ihr Zeugnis in Empfang genommen haben, erfolgreich bewältigt. Das ist grossartig und verdient Respekt und Glückwünsche.

Zu unserem Glückwunsch an alle möchten wir zwei Personen mit ihren Arbeiten herausgreifen, denen diese schwierige Aufgabe ganz besonders gut gelungen ist.

Die eine Arbeit ist die von Lisa Scharrer: „In voce veritas“ - Sprachakustische Besonderheiten und ihre Funktion bei Ironie

Die Ironie ist eine Sprachform, bei der der Sprechende etwas anderes sagt als er meint. Eine interessante psychologische Frage ist, wie gelingt es dem Hörer zu entscheiden, ob eine Aussage wörtlich oder ironisch gemeint ist, eine durchaus konsequenzenreiche Entscheidung bei der Interpretation. Neben dem situativen Kontext sind klangliche Merkmale einer Äußerung ein möglicher Hinweis auf ihre wörtliche oder ihre ironische Bedeutung.

Die Arbeit von Lisa Scharrer beschäftigt sich genau mit dieser Frage, ob sich ironische Aussagen in ihren klanglichen Merkmalen von wörtlichen Aussagen unterscheiden und welche Rolle dies beim Verständnis von Ironie spielt. Dazu zeichnete sie ironische und wörtliche Äußerungen von verschiedenen Sprecherinnen auf, unterzog sie einer umfassenden akustischen Analyse, das heisst analysierte ihre ganz grundlegenden phonetischen Eigenschaften und liess sie zudem auch qualitativ durch Dritte beurteilen.

Mit Hilfe dieser Analyse identifizierte die Autorin klangliche Merkmale, die ironische von wörtlichen Äußerungen tatsächlich unterscheiden. Ironische Aussagen haben bspw. eine niedrigere mittlere Grundfrequenz (die als Tonhöhe wahrgenommen wird), eine längere Vokaldauer und eine höhere Sprech-Energie als wörtliche Aussagen. Diese Merkmale erleichtern offenbar das korrekte Verstehen ironischer Äußerungen und zwar unabhängig von anderen Hinweisen wie bspw. dem Sichtkontakt zwischen Sprecher und Hörer.

Die zweite Arbeit ist die von Martin Andermann: Die neuromagnetische Scale Repräsentation von Streichinstrumenten: Einfluss von Musikalität und Tonhöhenwahrnehmung

Diese Arbeit entstand aus einer Kooperation zwischen dem Psychologischen Institut und der Neurologischen Universitätsklinik. Sie beschäftigt sich mit der Beobachtung, dass viele Schallreize Informationen über die Größe ("Scale") der Geräuschquelle enthalten. Martin Andermann untersuchte diese auditorische „Größen“-Verarbeitung mit dem Ziel, in den Hörregionen des Gehirns eine spezifische neurophysiologische "Scale-Komponente" zu identifizieren. Als Schallreize nutzte er Töne von unterschiedlich grossen Streichinstrumenten (Violine vs. Violoncello); die Aktivität des Gehirns beim Hören wurde mit der in der Neurologischen Klinik betriebenen Magnetencephalographie (MEG) erfasst. Dabei werden die durch kortikale Aktivierungen entstehenden Magnetfelder registriert.

Martin Andermann gelang es, in den auditorisch evozierten Magnetfeldern des Gehirns tatsächlich eine Größen-Komponente nachzuweisen, die nämlich immer dann auftrat, wenn die in den Instrumentaltönen enthaltene Größeninformation verändert wurde. Zudem konnte er zentrale Einflussgrößen auf diesen Effekt identifizieren, nämlich die Musikalität der Versuchspersonen und ihre Tendenz bei einem komplexen Ton eher dessen Obertöne oder eher den Grundton wahrzunehmen.

Für beide Arbeiten gilt nach Meinung der Auswahlkommission, dass sie eine sehr aktuelle und originelle Fragestellung mit äußerst anspruchsvoller Methodik bearbeitet haben und dass sie höchste wissenschaftliche Standards erfüllen. Das fanden wir preiswürdig.

Somit geht der Weinert-Preis des Psychologischen Instituts in diesem Jahr 2008 an Lisa Scharrer und an Martin Andermann.

Herzlichen Glückwunsch!